Artikel vom 28.06.2025

Anspruch auf Mietwagenkosten nach Unfall trotz ungültiger TÜV-Plakette

Das Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 3. Dezember 2024 (Az. VI ZR 117/24) wichtige Klarheit zum Thema Ersatz von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall geschaffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein Geschädigter Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten hat, wenn der Unfallwagen zum Unfallzeitpunkt eine ungültige TÜV-Prüfplakette besaß. Das Urteil präzisiert, dass ein überschrittener Hauptuntersuchungstermin allein nicht dazu führt, dass Mietwagenkosten nicht ersetzt werden können, sofern das Fahrzeug verkehrssicher war und keine behördliche Untersagung vorlag. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wesentliche zu diesem Gerichtsurteil und den daraus resultierenden Konsequenzen für Geschädigte und Versicherungen.

Mietwagenkosten nach Unfall: Grundsätzliche Rechtslage

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat ein Unfallgeschädigter Anspruch auf Ersatz der sogenannten Herstellungskosten, zu denen auch Mietwagenkosten zählen. Dies bedeutet, dass der Geschädigte eine angemessene und notwendige Ersatzmobilität verlangen kann, solange er sein eigenes Fahrzeug nicht nutzen kann. Voraussetzung ist, dass die Nutzung des eigenen Fahrzeugs durch den Unfall tatsächlich unmöglich geworden ist.
Die Rechtsprechung des BGH betont, dass Mietwagenkosten dann nicht erstattungsfähig sind, wenn der Geschädigte auch aus anderen Gründen an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert gewesen wäre. Das war bisher bei Fahrzeugen mit ungültiger Hauptuntersuchung häufig umstritten.

Ungültige TÜV-Plakette – Wann wird die Nutzung des Fahrzeugs rechtswidrig?

Die TÜV-Plakette zeigt den Termin der nächsten Haupt- und Abgasuntersuchung an. Wird dieser Termin überschritten, wird die Plakette ungültig, was eine Ordnungswidrigkeit darstellt (§ 29 Abs. 7 Satz 1 StVZO). Dennoch stellt das BGH-Urteil klar, dass die bloße Überschreitung des Hauptuntersuchungstermins nicht automatisch bedeutet, dass die Nutzung des Fahrzeugs rechtswidrig ist.
Ein rechtswidriger Betrieb des Fahrzeugs liegt erst dann vor, wenn eine zuständige Behörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung ausgesprochen hat. Ohne ein solches behördliches Verbot ist die Nutzung eines verkehrssicheren Fahrzeugs auch mit abgelaufener TÜV-Plakette erlaubt.

Die Entscheidung des BGH im Detail

Der Kläger war nach einem Verkehrsunfall auf Ersatz eines Mietwagens angewiesen, da sein Pkw beschädigt und nicht fahrbereit war. Zum Unfallzeitpunkt war der Termin für die Haupt- und Abgasuntersuchung seines Fahrzeugs um mehr als sechs Monate überschritten. Das Landgericht hatte ihm den Ersatz der Mietwagenkosten zunächst verwehrt, mit der Begründung, er hätte sein Fahrzeug ohnehin nicht nutzen dürfen. Der BGH hob diese Entscheidung jedoch auf.

Wesentliche Argumente des BGH

  • Verkehrssicherheit des Fahrzeugs: Das Gericht ging davon aus, dass der Pkw trotz der überfälligen Hauptuntersuchung verkehrssicher war und keine tatsächliche Nutzungshinderung bestand.

  • Keine behördliche Untersagung: Es wurde festgestellt, dass keine Betriebsuntersagung oder -beschränkung durch eine Behörde vorlag.

  • Rechtmäßige Nutzung trotz abgelaufener Plakette: Die Nutzung war daher nicht rechtswidrig und das Fahrzeug hätte grundsätzlich weiter genutzt werden dürfen.

  • Anspruch auf Mietwagenkosten: Da der Unfall die Nutzung des Fahrzeugs tatsächlich unmöglich machte, sind die Mietwagenkosten als notwendiger Schadenersatz anzusehen.

  • Keine Versagung wegen Sicherheitscharakters der Hauptuntersuchung: Der Sicherheitsaspekt der Hauptuntersuchung allein rechtfertigt nicht, den Ersatzanspruch abzulehnen.

Auswirkungen für Geschädigte und Versicherungen

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis im Bereich Schadenregulierung und Versicherung. Geschädigte können nun auch dann Mietwagenkosten erstattet bekommen, wenn die TÜV-Plakette ihres Unfallfahrzeugs abgelaufen war, solange keine behördliche Nutzungsuntersagung bestand und das Fahrzeug verkehrssicher war. Versicherungen können diesen Anspruch nicht mehr allein mit einem abgelaufenen TÜV-Termin abwehren.

Damit stärkt das Urteil die Rechte von Unfallgeschädigten und verhindert eine zu strenge Auslegung, die den Ersatzanspruch unnötig einschränkt.

Was bedeutet das Urteil für Fahrzeughalter?

Fahrzeughalter sollten weiterhin die Hauptuntersuchung fristgerecht durchführen lassen, da bei einer Überschreitung Bußgelder drohen können. Allerdings schützt das Urteil vor dem Risiko, dass eine verspätete Untersuchung automatisch zu Nachteilen bei der Schadensregulierung führt.
Falls kein behördliches Verbot vorliegt und das Fahrzeug verkehrssicher ist, gilt weiterhin die Nutzungserlaubnis. Im Schadensfall können Geschädigte den Ersatz ihrer Mietwagenkosten verlangen, auch wenn die TÜV-Plakette ungültig ist.

Wichtige rechtliche Grundlagen zum Urteil

  • § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB: Ersatz der Herstellungskosten als Schadensersatz.

  • § 29 Abs. 7 Satz 1 StVZO: Ungültigkeit der Prüfplakette bei überschrittenem Hauptuntersuchungstermin.

  • § 29 Abs. 7 Satz 4 StVZO: Möglichkeit der Betriebsuntersagung oder -beschränkung durch Behörden.

Diese Vorschriften bilden den Rahmen für die juristische Bewertung und Entscheidung des BGH.

Das BGH-Urteil vom 03.12.2024 (VI ZR 117/24) bringt Klarheit für Geschädigte im Straßenverkehr und regelt den Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten bei einem Unfall mit einem Fahrzeug ohne gültige TÜV-Plakette. Der Anspruch auf Mietwagenkosten kann nicht allein wegen eines abgelaufenen Hauptuntersuchungstermins verneint werden, sofern das Fahrzeug verkehrssicher war und keine behördliche Nutzungsuntersagung vorlag.

Dies ist eine wichtige Entscheidung für alle Unfallgeschädigten, Versicherer und Juristen, die sich mit Schadensersatzfragen im Verkehrsrecht beschäftigen.


Quelle(n): Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 03.12.2024, Az. VI ZR 117/24 Bild von Alexander Fox | PlaNet Fox auf Pixabay


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