Artikel vom 31.01.2025

Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung auf Verkehrssicherheit und Fahrerlaubnisrecht

Ein Beitrag aus dem Arbeitskreis I des Deutschen Verkehrsgerichtstags (VGT)

Seit dem 1. April 2024 ist der private Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis sowie der Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen in Deutschland legalisiert. Diese gesetzliche Neuregelung hat weitreichende Folgen, insbesondere im Bereich der Verkehrssicherheit und des Fahrerlaubnisrechts. Der Arbeitskreis I des Deutschen Verkehrsgerichtstags (VGT) befasst sich mit den rechtlichen und praktischen Konsequenzen dieser Entwicklungen und erarbeitet Empfehlungen für eine sichere und rechtskonforme Umsetzung. Im Fokus stehen insbesondere die Einführung eines gesetzlichen THC-Grenzwerts von 3,5 ng/ml im Blutserum sowie die Anpassungen in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).

Einführung des THC-Grenzwertes im Straßenverkehr

Mit der am 22. August 2024 in Kraft getretenen Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) wurde erstmals ein gesetzlicher THC-Grenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum für Ordnungswidrigkeiten festgelegt. Diese Regelung soll eine klare rechtliche Grundlage für den Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr schaffen und die Verkehrssicherheit gewährleisten. Im Rahmen des Arbeitskreises I wird diskutiert, inwieweit dieser Grenzwert geeignet ist, um eine verlässliche Abgrenzung zwischen fahruntüchtigen und fahrtüchtigen Verkehrsteilnehmenden zu ermöglichen. Kritisch betrachtet wird insbesondere die Frage, ob der festgelegte Grenzwert wissenschaftlich fundiert ist oder ob Anpassungen erforderlich sind.

Herausforderungen für die polizeiliche Kontrolle

Ein zentrales Thema des Arbeitskreises ist die polizeiliche Durchsetzung der neuen Regelungen. Während für Alkohol zuverlässige Atemalkoholmessgeräte existieren, fehlt es bei THC an vergleichbaren Testverfahren, die vor Ort eine zuverlässige Bestimmung der Wirkstoffkonzentration ermöglichen. Dies führt dazu, dass polizeiliche Maßnahmen – wie Blutprobenentnahmen – häufig mit erheblichem zeitlichen und administrativen Aufwand verbunden sind. Gleichzeitig besteht bei vielen Verkehrsteilnehmenden Unsicherheit darüber, wie lange nach dem Konsum von Cannabis eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet ist. Der Arbeitskreis erarbeitet Lösungsansätze, um die polizeiliche Kontrolle effizienter zu gestalten und die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung zu erhöhen.

Auswirkungen auf das Fahrerlaubnisrecht

Mit der Einführung des § 13a in die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) wurde eine neue Grundlage für die Beurteilung der Fahreignung von Cannabiskonsumierenden geschaffen. Ziel dieser Vorschrift ist es, eine Gleichbehandlung von Alkohol- und Cannabiskonsum im Fahrerlaubnisrecht zu gewährleisten. Die praktische Umsetzung dieser Regelung wirft jedoch Fragen auf: Wann liegt ein fahrerlaubnisrechtlich relevanter Cannabismissbrauch vor? Wie sind Mischkonsum-Fälle mit Alkohol oder anderen psychoaktiven Substanzen zu bewerten? Der Arbeitskreis I analysiert die bisherigen Erfahrungen und entwickelt Empfehlungen für eine praxisgerechte Anwendung der neuen Vorschriften.

Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) und Cannabiskonsum

Ein weiteres zentrales Thema des Arbeitskreises ist die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) für Cannabiskonsumierende. Während bisher eine Differenzierung nach Konsummustern (gelegentlich, regelmäßig, einmalig) erfolgte, stellt sich nun die Frage, welche Kriterien zukünftig zur Beurteilung der Fahreignung herangezogen werden sollen. Der Arbeitskreis diskutiert, welche Faktoren – etwa die Konsumform, das Konsummuster oder die Höhe der THC-COOH-Werte – bei der Begutachtung eine entscheidende Rolle spielen sollten. Zudem wird erörtert, inwieweit sich durch die neuen gesetzlichen Regelungen der Prüfungsablauf und die Anforderungen an betroffene Personen verändern müssen.

Umgang mit „Altfällen“ im Fahrerlaubnisrecht

Besonders brisant ist die Frage, wie mit Fällen umzugehen ist, die vor Inkrafttreten der neuen Regelungen entschieden wurden oder noch anhängig sind. Im Strafrecht gilt das Meistbegünstigungsprinzip (§ 4 Abs. 3 OWiG), sodass laufende Ordnungswidrigkeitenverfahren mit THC-Werten unter 3,5 ng/ml eingestellt werden können. Im Fahrerlaubnisrecht existiert hingegen keine vergleichbare Amnestieregelung. Der Arbeitskreis prüft, welche Möglichkeiten bestehen, um eine faire und rechtsstaatlich vertretbare Lösung für diese sogenannten „Altfälle“ zu finden.

Fazit und Handlungsempfehlungen des Arbeitskreises

Die Legalisierung von Cannabis und die Einführung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr stellen eine Zäsur in der deutschen Drogen- und Verkehrspolitik dar. Der Arbeitskreis I des VGT kommt zu dem Ergebnis, dass die neuen Regelungen sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringen. Während die Festlegung eines Grenzwertes für mehr Rechtssicherheit sorgt, bleibt die praktische Umsetzung – insbesondere im Bereich der polizeilichen Kontrolle und der Fahreignungsprüfung – eine Herausforderung.

Der Arbeitskreis empfiehlt daher:

  • Die Entwicklung und Einführung zuverlässiger Vortestverfahren für THC zur Unterstützung der polizeilichen Kontrollmaßnahmen.
  • Eine einheitliche und wissenschaftlich fundierte Bewertung der Fahreignungskriterien im Rahmen der MPU.
  • Eine rechtliche Klärung zum Umgang mit „Altfällen“, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden.

Mit diesen Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass die Verkehrssicherheit trotz der veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen gewährleistet bleibt. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag wird die weitere Entwicklung eng begleiten und seine Expertise zur Fortentwicklung des Rechtsrahmens einbringen.


Quelle(n): Bild von Social Butterfly auf Pixabay https://deutscher-verkehrsgerichtstag.de/media//Editoren/63.VGT/63.VGTKurzfassungAKIgesamt.pdf


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