Artikel vom 28.06.2025
Baustellenfalle vor der Garage – Landgericht stärkt Rechte von Anwohnern

Baustellen vor Wohnhäusern können schnell zur Gefahr werden vor allem wenn Bauunternehmen ihre Sicherungspflichten nicht ausreichend erfüllen. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 25 März 2022 Az 9 O 32 21 zeigt eindrucksvoll wann und warum ein Bauunternehmen für Schäden durch eine Baustelle haftet. Im Mittelpunkt steht ein Fall bei dem eine Anwohnerin mit ihrem Auto in eine ungesicherte Baugrube vor der Tiefgarage stürzte und dafür Schadensersatz verlangte. Dieser Artikel erläutert die Hintergründe des Falls die Entscheidung des Gerichts und was Bauunternehmen und Anwohner daraus lernen können.
Eine Tiefgaragenausfahrt wird zur Gefahrenquelle
Vor einem Wohnhaus in der Stadt S führte ein Bauunternehmen Straßenbauarbeiten durch. Dabei hob es einen Graben zwischen Bürgersteig und Straße aus. Um den Zugang zur Tiefgarage des Hauses zu sichern deckten die Arbeiter den Graben mit schweren Stahlplatten ab. Diese ermöglichten den Anwohnern ein sicheres Ein und Ausfahren aus der Tiefgarage trotz der Bauarbeiten.
An einem Tag entfernten die Mitarbeiter des Bauunternehmens jedoch die Stahlplatten um Arbeiten im Graben zu erledigen. Eine Anwohnerin bemerkte beim Ausfahren aus der Tiefgarage nicht dass der Bereich vor der Einfahrt ungesichert war. Mit den Vorderrädern ihres Autos stürzte sie in den Graben und beschädigte ihr Fahrzeug erheblich. Sie verlangte von der Baufirma Ersatz für den entstandenen Schaden.
Argumente des Bauunternehmens: Warum kein Schadensersatz gezahlt werden sollte
Die Baufirma wies die Forderung der Anwohnerin zurück. Sie argumentierte dass die Bewohnerin von den Bauarbeiten gewusst habe und deshalb selbst hätte vorsichtig sein müssen. Außerdem habe man die Hausverwaltung über die Arbeiten informiert und damit die Sicherungspflicht erfüllt. Nach Meinung des Unternehmens sei es Aufgabe der Anwohner gewesen sich vor der Ausfahrt zu vergewissern ob der Weg frei sei.
Die Entscheidung des Landgerichts Frankenthal: Klare Pflichtverletzung
Das Landgericht Frankenthal folgte dieser Argumentation nicht und verurteilte das Bauunternehmen zur Zahlung von Schadensersatz. Das Gericht stellte fest dass das Unternehmen seine Pflicht zur Sicherung der Baustelle verletzt hatte. Das Entfernen der Stahlplatten ohne eine alternative Sicherung wie Absperrungen oder Warnhinweise stellte eine erhebliche Gefährdung dar. Die Anwohnerin konnte beim Verlassen der Tiefgarage den ungesicherten Graben nicht erkennen und durfte darauf vertrauen dass die Ausfahrt wie gewohnt sicher war.
Kein Mitverschulden: Bauunternehmen haftet allein
Besonders wichtig ist die Feststellung des Gerichts dass der Anwohnerin kein Mitverschulden angelastet werden konnte. Zwar wusste sie von den Bauarbeiten doch das entband das Bauunternehmen nicht von seiner Pflicht die Baustelle ordnungsgemäß zu sichern. Die Anwohnerin musste nicht damit rechnen dass die üblichen Schutzmaßnahmen plötzlich entfernt wurden. Sie war nicht verpflichtet die Baustelle vor der Nutzung der Tiefgaragenausfahrt zu kontrollieren.
Sicherungspflicht bei Baustellen
Das Urteil zeigt deutlich dass Bauunternehmen bei Arbeiten im öffentlichen Raum oder an privaten Zufahrten umfassende Sicherungspflichten haben. Diese Pflichten gelten jederzeit auch während aktiver Bauphasen. Zu den erforderlichen Maßnahmen zählen
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Abdeckungen wie Stahlplatten über Gräben und Schächten
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Absperrungen und Warnbaken um Gefahrenstellen zu sichern
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Warnhinweise und Schilder zur Information der Betroffenen
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Beleuchtung bei Dunkelheit um Gefahren sichtbar zu machen
Eine Verletzung dieser Pflichten kann zu erheblichen Schadensersatzansprüchen führen wie das Urteil des Landgerichts Frankenthal zeigt.
Information an die Hausverwaltung reicht nicht aus
Das Gericht betonte dass die Information der Hausverwaltung keine ausreichende Sicherungsmaßnahme darstellt. Die Sicherungspflicht liegt beim Bauunternehmen und kann nicht auf Anwohner oder Verwaltung abgewälzt werden. Auch der Hinweis dass Anwohner von der Baustelle wussten schützt das Unternehmen nicht vor der Haftung wenn Schutzmaßnahmen fehlen.
Anspruch der Anwohner
Wer durch eine unzureichend gesicherte Baustelle zu Schaden kommt hat Anspruch auf Schadensersatz. Dies umfasst nicht nur die Reparaturkosten für beschädigte Fahrzeuge sondern kann auch Nutzungsausfall und in bestimmten Fällen Schmerzensgeld betreffen. Entscheidend ist ob das Bauunternehmen seiner Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist.
Fazit
Das Urteil des Landgerichts Frankenthal macht deutlich Bauunternehmen dürfen Sicherungsmaßnahmen nicht vernachlässigen. Auch kurzfristige Bauphasen rechtfertigen es nicht Schutzvorkehrungen einfach zu entfernen. Die Pflicht zur Sicherung besteht jederzeit und bleibt beim Unternehmen. Für Anwohner bedeutet das Urteil dass sie sich auf die Sicherheit ihrer gewohnten Wege verlassen dürfen ohne diese selbst kontrollieren zu müssen.
Wenn Sie Fragen zur Haftung bei Baustellen oder zu Schadensersatzansprüchen haben stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte und Ansprüche.
Quelle(n): LG Frankenthal, Urteil vom 25. 03. 2022 – 9 O 32/21 Bild von succo auf Pixabay