Artikel vom 23.06.2025

Fahrverbot trotz reduzierter Geschwindigkeitsüberschreitung

Sachverhalt und erstinstanzliche Entscheidung

Ein Autofahrer wurde vom Amtsgericht wegen einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Ihm wurde zur Last gelegt, am 30. Juli 2023 außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 55 km/h überschritten zu haben. Das Gericht verhängte eine Geldbuße in Höhe von 480 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Gemäß § 25 Abs. 2a StVG wurde ihm dabei eine viermonatige Frist eingeräumt, innerhalb derer er den Beginn des Fahrverbots selbst bestimmen durfte. Gegen diese Entscheidung legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein und rügte insbesondere die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts.

Entscheidung des BayObLG: Korrektur der Geschwindigkeit, aber Bestätigung des Fahrverbots

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) überprüfte das Urteil auf mögliche Rechtsfehler und kam zu dem Ergebnis, dass die tatsächliche Geschwindigkeitsüberschreitung lediglich 50 km/h betragen habe. Dementsprechend wurde der Schuldspruch korrigiert und die Geldbuße auf 320 Euro herabgesetzt, entsprechend dem Regelsatz im Bußgeldkatalog für eine solche Überschreitung. Das Fahrverbot wurde hingegen aufrechterhalten. Nach Auffassung des Gerichts bleibt ein Regelfahrverbot auch bei einer Überschreitung von 50 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften gerechtfertigt. Der Bußgeldkatalog sieht hierfür bewusst eine gravierende Rechtsfolge vor, die der Ahndung und Abschreckung dienen soll.

Keine Verletzung des Verfahrensrechts: Einheit der Tat trotz korrigierter Daten

Ein weiterer rechtlich relevanter Punkt betraf die Abweichung zwischen den im ursprünglichen Urteil festgestellten und den später korrigierten Messdaten. Der Zeitpunkt der Messung hatte sich leicht verschoben (12:18 statt 12:15 Uhr), ebenso der genaue Ort. Das BayObLG prüfte, ob hierin eine unzulässige Abweichung vom Tatvorwurf lag, die zur Unwirksamkeit des Verfahrens hätte führen können. Es stellte jedoch klar, dass sich der Betroffene nach wie vor wegen derselben prozessualen Tat im Sinne von § 264 StPO verantworten musste. Diese Norm ist über § 71 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren anwendbar. Entscheidend sei, dass sich die Geschwindigkeitsüberschreitung weiterhin im Rahmen eines einheitlichen geschichtlichen Vorgangs vollzogen habe. Solange das Fahrzeug nicht willentlich zum Stillstand gebracht worden sei – etwa durch Parken – und sich der Fahrer auf einer zusammenhängenden Fahrt befand, bleibe es bei einer einzigen Tat im verfahrensrechtlichen Sinn.

Rechtliche Bedeutung der Tatidentität im Bußgeldverfahren

Die Entscheidung bestätigt die ständige Rechtsprechung zur sogenannten Tatidentität: Mehrere Verkehrsverstöße innerhalb einer ununterbrochenen Fahrt – auch wenn sie zeitlich oder örtlich leicht auseinanderfallen – werden in der Regel als einheitlicher Lebensvorgang betrachtet. Ein verkehrsbedingtes Anhalten (z. B. an einer Ampel oder im Stau) unterbricht diese Einheit nicht. Nur wenn das Fahrzeug willentlich und nicht durch Verkehrsbedingungen zum Stillstand gebracht wird, kann ein neuer Tatkomplex beginnen. Diese Abgrenzung ist bedeutsam für die Wirksamkeit eines Bußgeldbescheids und für die Frage, ob die Verurteilung den Vorwurf im rechtlichen Sinne überhaupt noch umfasst.

Folgen für den Betroffenen und prozessuale Konsequenz

Der Betroffene musste infolge der Entscheidung eine um 160 Euro reduzierte Geldbuße zahlen, das einmonatige Fahrverbot jedoch antreten. Dabei bleibt ihm gemäß § 25 Abs. 2a StVG die Möglichkeit, den Beginn des Verbots innerhalb von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft selbst zu wählen. Das Fahrverbot wird mit amtlicher Verwahrung des Führerscheins wirksam. Da die Rechtsbeschwerde nur teilweise Erfolg hatte, wurden dem Autofahrer die Kosten des Verfahrens gemäß § 473 Abs. 4 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG auferlegt.

Juristische Bewertung und Bedeutung der Entscheidung

Der Beschluss des BayObLG zeigt exemplarisch, dass eine Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren durchaus zu Teilerfolgen führen kann, etwa durch eine Korrektur der Geschwindigkeitsfeststellung und eine entsprechende Anpassung der Sanktion. Zugleich unterstreicht die Entscheidung die rechtliche Verbindlichkeit des Bußgeldkatalogs und die Niedrigschwelligkeit des Regelfahrverbots bei erheblichen Geschwindigkeitsverstößen. Die differenzierte Bewertung der „Tat im prozessualen Sinne“ ist ein weiterer zentraler Aspekt des Beschlusses: Sie sorgt dafür, dass kleinere Abweichungen bei Ort oder Zeit keine vollständige Neuverhandlung oder Einstellung des Verfahrens nach sich ziehen, solange der zugrunde liegende Lebenssachverhalt identisch bleibt. Für Betroffene bleibt damit klar: Auch geringfügige Korrekturen des Tatgeschehens führen nicht zwangsläufig zum Wegfall spürbarer Rechtsfolgen wie eines Fahrverbots.


Quelle(n): BayObLG, Beschluss vom 03.02.2025, Az. 201 ObOWi 22/25 Bild von pixabay


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