Artikel vom 10.06.2024
Cannabis-Legalisierung und THC im Straßenverkehr: Risiken und Auswirkungen
Die Teil-Legalisierung von Cannabis in Deutschland seit dem 1. April 2024 hat viele Diskussionen über die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit ausgelöst. Besonders die Frage, wie THC (Tetrahydrocannabinol) den Körper beeinflusst und welche Konsequenzen sich daraus für das Autofahren ergeben, steht im Mittelpunkt. Professor Dr. Matthias Graw, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, gibt im Interview mit der ADAC-Redaktion Einblicke in die Thematik.
THC und Autofahren: Vergleich mit Alkohol?
Ein häufig gestellter Vergleich ist der zwischen Cannabis und Alkohol. Laut Professor Graw ist dieser Vergleich jedoch nur bedingt sinnvoll. Während Alkohol eine klare Dosis-Wirkung-Beziehung und einen kontinuierlichen Abbau im Körper aufweist, verhält sich THC anders. Die Verteilungs- und Abbauvorgänge von THC sind komplexer und variieren stark von Person zu Person.
Diese Unterschiede machen es schwierig, einen verlässlichen THC-Abbau-Rechner für die Allgemeinheit zu entwickeln. Die individuelle Verstoffwechslung von THC hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich der Häufigkeit des Konsums und der Toleranzentwicklung des Körpers. Im Gegensatz zu Alkohol, dessen Konzentration im Blut relativ konstant abnimmt, kann die THC-Konzentration je nach Konsummethode und individueller Physiologie stark schwanken.
Konsummethoden und deren Auswirkungen
Die Art und Weise, wie Cannabis konsumiert wird, beeinflusst die Wirkung erheblich. Beim Inhalieren, sei es durch Rauchen oder mittels eines Vaporizers, steigt die THC-Konzentration im Blut schnell an und fällt ebenso schnell wieder ab. Die Wirkung kann jedoch bis zu ein bis zwei Stunden nach dem Konsum anhalten, was zu einer verzögerten Reaktion im Straßenverkehr führen kann.
Bei der oralen Einnahme von Cannabis, etwa durch den Verzehr von THC-haltigen Lebensmitteln, dauert es wesentlich länger, bis die maximale Wirkung eintritt – oft vier bis sechs Stunden. Diese Verzögerung kann zu einer falschen Einschätzung der Fahrtüchtigkeit führen, da die Wirkung länger anhält und weniger vorhersehbar ist.
Wirkungsweise von THC im Körper
THC aktiviert das körpereigene Endocannabinoid-System, das im Nervensystem zahlreiche Funktionen steuert. Diese Aktivierung führt zu verschiedenen Effekten wie einer zentralen Dämpfung, einer euphorischen Phase und Veränderungen in der Wahrnehmung. Diese Effekte können die Fähigkeit, sicher zu fahren, erheblich beeinträchtigen.
Während der akuten Phase des THC-Rausches kann es zu Stimmungsaufhellungen, Entspannungsgefühlen sowie akustischen und optischen Wahrnehmungsveränderungen kommen. Diese Zustände sind offensichtlich nicht mit sicherem Fahren vereinbar. Studien haben gezeigt, dass die kognitiven Beeinträchtigungen durch THC auch 24 Stunden nach dem Konsum anhalten können, selbst wenn keine nachweisbaren Mengen von THC mehr im Blutserum vorhanden sind.
THC und Verkehrssicherheit
Die Auswirkungen von THC auf das Denk-, Lern- und Erinnerungsvermögen sowie die Konzentrationsfähigkeit sind besonders besorgniserregend im Kontext des Straßenverkehrs. Konsumenten haben oft Schwierigkeiten, sich auf monotone Aufgaben wie das geradeaus Fahren zu konzentrieren, und reagieren langsamer auf unerwartete Gefahren. Diese Beeinträchtigungen erhöhen das Unfallrisiko erheblich.
Professor Graw betont, dass es wichtig ist, die Bevölkerung über die Risiken des Fahrens unter THC-Einfluss aufzuklären. Trotz der Legalisierung von Cannabis bleibt die Notwendigkeit bestehen, verantwortungsvoll mit dem Konsum umzugehen und sicherzustellen, dass man nicht unter dem Einfluss von THC fährt.
Cannabis-Legalisierung und rechtliche Rahmenbedingungen
Seit dem 1. April 2024 ist der Besitz und Konsum von Cannabis in Deutschland unter bestimmten Bedingungen legal. Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen und bis zu drei Pflanzen zu Hause anbauen. Diese Gesetzesänderung hat jedoch nicht die Regelungen für den Straßenverkehr gelockert. Der neue Grenzwert für THC im Blut liegt bei 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum, was einem Alkoholwert von 0,2 Promille entspricht.
Für Fahranfänger und Personen unter 21 Jahren gilt weiterhin ein strengerer Grenzwert von 1,0 Nanogramm. Verstöße gegen diese Grenzwerte können erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, einschließlich Bußgeldern und Fahrverboten.
Zukünftige Herausforderungen und Maßnahmen
Die Einführung des neuen THC-Grenzwertes stellt sowohl die Gesetzgeber als auch die Verkehrsüberwachung vor neue Herausforderungen. Eine mögliche Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit könnte die Entwicklung neuer Messmethoden sein, wie beispielsweise die Analyse von Mundhöhlenflüssigkeit, um akuten THC-Konsum nachzuweisen. Diese Methoden müssen jedoch gründlich getestet und evaluiert werden, bevor sie flächendeckend eingesetzt werden können.
Initiativen wie #mehrachtung setzen sich dafür ein, die Verkehrsteilnehmer über die Risiken des Fahrens unter THC-Einfluss aufzuklären. Kampagnen wie "Don't drive high!" sollen das Bewusstsein für die Gefahren schärfen und zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit Cannabis beitragen.
Verantwortungsbewusster Umgang mit Cannabis
Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland ist ein bedeutender Schritt, der viele neue Regelungen und Herausforderungen mit sich bringt. Besonders im Straßenverkehr bleibt der verantwortungsvolle Umgang mit THC entscheidend. Es ist wichtig, dass Konsumenten sich der Risiken bewusst sind und die gesetzlichen Grenzwerte strikt einhalten, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.
Die Komplexität der THC-Verstoffwechslung und die individuellen Unterschiede in der Wirkung machen eine pauschale Einschätzung schwierig. Dennoch bleibt die Botschaft klar: Wer Cannabis konsumiert, sollte auf das Autofahren verzichten, um sich selbst und andere nicht zu gefährden. Die Kombination von Aufklärung, strikten gesetzlichen Vorgaben und der Entwicklung neuer Nachweismethoden kann dazu beitragen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die negativen Auswirkungen des THC-Konsums im Straßenverkehr zu minimieren.
Quelle(n): https://www.adac.de/gesundheit/gesund-unterwegs/strasse/interview-prof-dr-matthias-graw-cannabis/ Bild von Kinodel auf Pixabay