Artikel vom 28.06.2025

Oberlandesgericht Oldenburg: Cannabis-Grenzwertänderung führt zur nachträglichen Freisprechung

Sachverhalt und erstinstanzliches Urteil

Ein 40-jähriger Fahrer wurde wegen Fahrens unter Cannabiseinfluss mit einem Bußgeldbescheid des Landkreises Emsland belegt. Das Amtsgericht Papenburg verurteilte ihn zu einer Geldbuße von 1.000 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot. Die Grundlage des Urteils war ein festgestellter THC-Blutwert von 1,3 ng/ml, der zum Zeitpunkt der Tat den damals geltenden Grenzwert von 1,0 ng/ml überschritt und somit eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) darstellte.

Rechtsbeschwerde und Gesetzesänderung

Der Betroffene legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein. In der Zwischenzeit trat eine Gesetzesänderung im Rahmen der Cannabis-Legalisierung in Kraft, die den zulässigen THC-Grenzwert im Straßenverkehr von 1,0 ng/ml auf 3,5 ng/ml anhob (§ 24a Absatz 1a StVG). Diese Änderung wurde am 22. August 2024 wirksam, also nach Verkündung des Amtsgerichtsurteils, aber vor Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das OLG hob das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach den Betroffenen frei. Es berief sich auf die sogenannte Rückwirkung zugunsten des Betroffenen, die sich aus § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ergibt. Danach sind günstigere gesetzliche Regelungen für den Betroffenen auch dann anzuwenden, wenn sie nach dem Zeitpunkt der Tat, aber vor dem Abschluss des Rechtsstreits in Kraft treten. Da der THC-Wert des Betroffenen mit 1,3 ng/ml nun unter dem neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml lag, konnte ihm keine Ordnungswidrigkeit mehr nachgewiesen werden.

Bedeutung für das Verkehrsrecht

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Rückwirkung bei Gesetzesänderungen im Verkehrsrecht, insbesondere im sensiblen Bereich des Fahrens unter Drogeneinfluss. Die Erhöhung des Grenzwerts bei Cannabis im Blut sorgt dafür, dass frühere Verstöße, die unter der alten Regelung geahndet wurden, unter Umständen nicht mehr strafbar sind, sofern die Verfahren noch nicht abgeschlossen sind. Dies unterstreicht das Prinzip der Günstigkeitsrückwirkung zugunsten der Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenrecht.


Quelle(n): Oberlandesgericht Oldenburg – Beschluss vom 29.08.2024 – Az.: 2 ORbs 95/24


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