Artikel vom 25.04.2025

Einsichtsrecht in die Falldatei bei Geschwindigkeitsverstößen: Was Betroffene in Deutschland wissen müssen

Immer wieder sehen sich Autofahrer in Deutschland mit Bußgeldbescheiden wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen konfrontiert. Dabei stellt sich regelmäßig die Frage, wie sich Betroffene gegen den Vorwurf zur Wehr setzen können – insbesondere im Hinblick auf die Einsicht in Messunterlagen. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG Frankfurt) vom 4. Februar 2025 bringt in dieser Hinsicht mehr Klarheit. Im Mittelpunkt steht dabei die sogenannte „Falldatei“, ein digitales Messdokument, das im Verkehrsrecht eine zentrale Rolle spielt. Dieser Artikel erklärt, wie sich das Einsichtsrecht konkret gestaltet und welche Rechte Betroffene in Bußgeldverfahren nach deutschem Verkehrsrecht und Versicherungsrecht haben.

Was ist die Falldatei im Verkehrsrecht?

Die Falldatei ist das zentrale digitale Beweismittel bei standardisierten Geschwindigkeitsmessungen mit technischen Geräten. Sie enthält den eigentlichen Messwert, also die festgestellte Geschwindigkeit, sowie das zugehörige Messbild. Die Datei ist jedoch aus Sicherheitsgründen verschlüsselt und kann nur mit einem speziellen Auswerteprogramm und einem zugehörigen Schlüssel entschlüsselt und analysiert werden. Beide Hilfsmittel liegen in Hessen beispielsweise bei der Zentralen Bußgeldstelle vor.

Bedeutung der Falldatei im Bußgeldverfahren

Bei einem Bußgeldverfahren wegen überhöhter Geschwindigkeit wird der Messwert aus der Falldatei dem jeweiligen Fahrzeug und Fahrer zugeordnet. Dies geschieht durch Auswertung der Datei mithilfe zugelassener Software. Die daraus entstehende „lesbare Version“ enthält das Foto vom Fahrzeug sowie den dokumentierten Geschwindigkeitswert. Diese Auswertung dient als Grundlage für den Bußgeldbescheid und muss für alle Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar sein. Nur so ist ein faires Verfahren gewährleistet.

Einsichtsrecht in die Falldatei: Was Betroffene wissen sollten

Nach deutschem Recht hat jeder Betroffene grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht. Dabei unterscheidet die Rechtsprechung jedoch zwischen den eigentlichen Akten und weiteren Beweismitteln wie der nicht ausgewerteten Falldatei. Letztere gehört nicht zwingend zur Verfahrensakte und wird daher nicht automatisch im Rahmen der üblichen Akteneinsicht herausgegeben. Das OLG Frankfurt stellt jedoch klar, dass Betroffene dennoch das Recht haben, die Falldatei einzusehen und auszuwerten – entweder vor Ort oder in Form einer bereits ausgewerteten Version gegen Kostenübernahme.

Verfahren zur Einsichtnahme in die Falldatei

Es gibt zwei Wege, wie ein Betroffener seine Falldatei einsehen kann:

  1. Vor-Ort-Einsicht bei der Bußgeldstelle
    Nach vorheriger Terminabsprache kann der Betroffene persönlich zur Bußgeldstelle gehen und dort mit dem bereitgestellten Auswerteprogramm und dem passenden Schlüssel die Falldatei einsehen. Die Auswertung kann selbstständig vorgenommen werden.

  2. Anforderung einer ausgewerteten Datei
    Alternativ kann eine bereits lesbar aufbereitete Version der Falldatei gegen Kostenerstattung zugesendet werden. Hierbei handelt es sich allerdings nicht mehr um die „Rohdaten“, sondern um die offizielle Interpretation durch die Bußgeldstelle. Die Authentizität dieser Datei muss in diesem Fall vom Betroffenen akzeptiert werden.

Rolle des Verteidigers im Verfahren

Auch der Verteidiger eines Betroffenen hat Anspruch auf Einsicht in die Falldatei, wobei jedoch dieselben Einschränkungen gelten. Die nicht ausgewertete Falldatei gehört nicht zur klassischen Verfahrensakte und ist daher nicht automatisch Teil eines Akteneinsichtsantrags. Der Wunsch nach einem bestimmten Dateiformat oder einer bequemen Online-Übermittlung reicht rechtlich nicht aus, um auf Herausgabe der Falldatei zu klagen. Das OLG Frankfurt betont hier, dass technische Bequemlichkeit kein gesetzlich geschütztes Einsichtsrecht begründet.

Standardisiertes Messverfahren und Beweislast

Ein weiteres zentrales Element im Verkehrsrecht ist das sogenannte „standardisierte Messverfahren“. Dies bedeutet, dass die eingesetzten Messgeräte zugelassen und ordnungsgemäß geeicht sind. Die Richtigkeit des ermittelten Geschwindigkeitswertes wird somit vermutet und muss vom Betroffenen widerlegt werden, wenn Zweifel bestehen. Hierfür ist der Zugang zur Falldatei entscheidend, da nur so überprüft werden kann, ob das Messergebnis korrekt dem betreffenden Fahrzeug und Fahrer zugeordnet wurde.

Bedeutung für die Versicherung

Aus versicherungsrechtlicher Sicht hat die Einsicht in die Falldatei indirekte Bedeutung. Sollte ein Geschwindigkeitsverstoß zu einem Unfall führen, kann die Kfz-Versicherung unter Umständen Leistungen kürzen – insbesondere bei grober Fahrlässigkeit. Die genaue Geschwindigkeit und ihre gerichtliche Anerkennung als Beweismittel sind daher auch für mögliche Regressforderungen der Versicherung gegenüber dem Fahrer oder Halter relevant. Wer also Zweifel an der Messung hat, sollte frühzeitig Einsicht verlangen, um spätere Nachteile in einem Haftpflichtprozess zu vermeiden.

Rechte kennen und frühzeitig handeln

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main stärkt die Rechte von Verkehrsteilnehmern, indem sie konkrete Wege zur Einsicht in die Falldatei aufzeigt. Wichtig ist jedoch, dass sowohl Betroffene als auch Verteidiger die richtigen formalen Schritte einhalten und sich nicht allein auf allgemeine Akteneinsicht berufen. Wer rechtzeitig handelt, kann gegebenenfalls Fehler in der Beweisführung aufdecken und sich gegen unberechtigte Bußgeldforderungen oder versicherungsrechtliche Konsequenzen erfolgreich zur Wehr setzen.


Quelle(n): https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/presse/einsichtsrechte-von-bussgeldempfaengern-in-messunterlagen Bild von Ro Ma auf Pixabay


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