Artikel vom 28.06.2025
Erweiterte Anwendung von MPU-Anordnung nach Verzicht auf Führerschein zulässig

Sachverhalt und rechtlicher Hintergrund
Dem Kläger wurde erstmals eine Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt. Im Verlauf mehrerer Verkehrskontrollen aufgrund von Verkehrsverstößen wurde bei ihm Cannabis-Konsum festgestellt. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete daraufhin die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) an. Das zunächst eingereichte Gutachten bewertete die Fahreignung negativ, woraufhin der Kläger freiwillig auf seine Fahrerlaubnis verzichtete. Nach Vorlage eines späteren positiven Gutachtens wurde ihm die Fahrerlaubnis erneut erteilt. Wenig später missachtete er eine längere Rotlichtphase an einer Ampel. Die Fahrerlaubnisbehörde verlangte daraufhin erneut die Vorlage eines MPU-Gutachtens mit Bezug auf § 2a Absatz 5 Satz 5 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Als der Kläger dieser Anordnung nicht fristgerecht nachkam, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Rechtliche Bewertung in der ersten Instanz: Beschränkte Auslegung des § 2a Absatz 5 Satz 5 StVG
Das Verwaltungsgericht (VG) hob die Entziehung der Fahrerlaubnis auf. Es führte aus, dass die gesetzliche Grundlage für die Anordnung eines MPU-Gutachtens nach § 2a Absatz 5 Satz 5 StVG nur dann greife, wenn die Fahrerlaubnis zuvor entzogen wurde. Da der Kläger jedoch freiwillig auf die Fahrerlaubnis verzichtet hatte, sei die Vorschrift auf diesen Fall nicht anwendbar. Diese restriktive Auslegung führte zur Aufhebung der Entziehung.
Oberverwaltungsgericht erweitert Auslegung auf Verzichtssituation
Im Berufungsverfahren verfolgte das Oberverwaltungsgericht (OVG) eine erweiterte Auslegung. Es erkannte die Vorschrift des § 2a Absatz 5 Satz 5 StVG auch auf Fälle an, in denen die Fahrerlaubnis durch Verzicht beendet wurde. Damit wurde die Klage gegen die Entziehung abgewiesen. Die Begründung basierte auf dem Zweck der Vorschrift, die Umgehung der Probezeitregelungen zu verhindern.
Bundesverwaltungsgericht bestätigt erweiterte Anwendung und schließt Regelungslücke
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigte die Rechtsauffassung des OVG. Es entschied, dass § 2a Absatz 5 Satz 5 StVG entsprechend auf Fälle des Verzichts anzuwenden ist. Hintergrund ist, dass die Fahrerlaubnis auf Probe eingeführt wurde, um Fahranfängern eine Bewährungszeit zu geben, in der besondere Auflagen gelten. Um eine Umgehung dieser Maßnahmen durch freiwilligen Verzicht und Neuerteilung zu verhindern, hat der Gesetzgeber in der Vergangenheit die Vorschriften so ausgestaltet, dass für Verzichtsfälle eine Gleichstellung mit Entziehungsfällen erfolgen soll. Obwohl der Gesetzestext die Anforderung einer MPU explizit nur für die Teilnahme an einem Aufbauseminar bei Neuerteilung regelt, ist eine analoge Anwendung auf die MPU-Anordnung geboten. Dies schließt eine nicht beabsichtigte Regelungslücke und entspricht dem Schutzzweck der Norm zum Erhalt der Verkehrssicherheit.
Bedeutung für das Verkehrsrecht und die Praxis
Das Urteil stellt klar, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Rahmen der Probezeitregelungen nicht durch einen freiwilligen Verzicht auf die Fahrerlaubnis umgangen werden kann. Die Entscheidung stärkt die Rechtslage der Fahrerlaubnisbehörden und betont die Bedeutung der konsequenten Anwendung der Probezeitregelungen zum Schutz der Verkehrssicherheit. Auch nach einer erneuten Erteilung der Fahrerlaubnis können bei erneuten Verkehrsverstößen strengere Auflagen wie die MPU-Anforderung rechtmäßig sein.
Quelle(n): Bundesverwaltungsgericht – Urteil vom 10.10.2024 – Az.: 3 C 3.23 Foto von Pixabay