Artikel vom 23.06.2025
Fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge: Drogen oder Alkohol – Radfahren bleibt erlaubt

Klare Entscheidung des OVG Münster zur Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge trotz Drogen- oder Alkoholkonsums
Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hat ein wegweisendes Urteil gefällt, das insbesondere für Fahrradfahrer und Nutzer von E-Scootern von großer Bedeutung ist: Auch bei Drogenkonsum oder hohem Alkoholpegel darf das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrrädern, E-Scootern oder Mofas nicht pauschal untersagt werden. Dieses Urteil schützt die Mobilität ohne Führerschein und grenzt die behördlichen Eingriffsmöglichkeiten deutlich ein.
Hintergrund des Urteils: Zwei Fälle aus NRW
Gegenstand der Entscheidung waren zwei Fälle aus Duisburg und Schwerte. In beiden Fällen ging es um Personen, die keine Fahrerlaubnis besitzen. Einer der Antragsteller war unter Amphetamineinfluss mit einem E-Scooter unterwegs, während der andere mit dem Fahrrad und über 2 Promille Alkohol im Blut im Straßenverkehr erwischt wurde. Trotz des Fehlverhaltens entschied das OVG Münster: Ein generelles Fahrverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge ist rechtswidrig.
Die Fahrerlaubnisbehörden hatten den Betroffenen untersagt, weiterhin Fahrräder oder ähnliche Fahrzeuge zu nutzen. Die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Gelsenkirchen bestätigten diese Anordnungen zunächst. Doch das OVG Münster kassierte diese Entscheidungen und stellte klar, dass ein solcher Eingriff nicht auf die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gestützt werden kann.
Fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge fallen nicht unter pauschale Eignungsprüfung
Das Urteil macht deutlich: Für Fahrzeuge, die keine Fahrerlaubnis erfordern, gelten andere Maßstäbe als für Kraftfahrzeuge wie Pkw oder Motorräder. Die FeV regelt im Wesentlichen die Voraussetzungen für das Führen von Fahrzeugen mit Fahrerlaubnispflicht, nicht aber das grundsätzliche Fahrverhalten auf einem Fahrrad oder E-Scooter. Ein generelles Verbot, solche Fahrzeuge zu führen, stellt nach Ansicht des Gerichts einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar.
Warum das OVG Münster Fahrverbote für unverhältnismäßig hält
Ein zentrales Argument des Gerichts: Das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, beschränkt die grundrechtlich geschützte Freiheit der Mobilität. Diese Fahrzeuge dienen oft der alltäglichen Fortbewegung – insbesondere für Menschen ohne Führerschein. Wird ihnen diese Möglichkeit genommen, kann dies erhebliche soziale und berufliche Auswirkungen haben.
Geringeres Gefahrenpotenzial bei Fahrrädern und E-Scootern
Außerdem verwies das Gericht auf das vergleichsweise geringe Gefahrenpotenzial solcher Fahrzeuge. Zwar sind auch Fahrräder und E-Scooter im Straßenverkehr nicht ungefährlich – insbesondere unter Alkohol- oder Drogeneinfluss –, doch im Vergleich zu motorisierten Kraftfahrzeugen ist das Risiko deutlich geringer. Eine pauschale Gleichbehandlung ist daher nicht gerechtfertigt.
Keine klare gesetzliche Regelung in der FeV
Ein weiteres Problem: Die Fahrerlaubnis-Verordnung enthält keine präzise Regelung darüber, unter welchen Bedingungen jemand als ungeeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gilt. Ohne diese Klarheit fehlt den Behörden die rechtliche Grundlage, um entsprechende Fahrverbote durchzusetzen. Ein solches Verbot darf also nicht auf bloße Einschätzungen oder Einzelfallentscheidungen gestützt werden.
Bedeutung des Urteils für Verkehrsteilnehmer
Das Urteil schafft Rechtssicherheit für alle, die mit Fahrrädern, Mofas oder E-Scootern unterwegs sind – insbesondere für Menschen ohne Führerschein. Wer unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen steht, riskiert nach wie vor straf- oder bußgeldrechtliche Konsequenzen, etwa wegen Trunkenheit im Verkehr. Doch ein generelles Verbot, solche Fahrzeuge zu führen, darf nicht ohne weiteres ausgesprochen werden.
Für die Fahrerlaubnisbehörden bedeutet das Urteil: Künftige Entscheidungen über die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge müssen sehr sorgfältig begründet werden. Ein bloßer Verweis auf vergangenes Fehlverhalten reicht nicht mehr aus. Es bedarf konkreter Anhaltspunkte dafür, dass von der betroffenen Person auch weiterhin eine Gefahr für den Straßenverkehr ausgeht.
Alkohol am Lenker bleibt ein Risiko – aber kein automatisches Fahrverbot
Wichtig: Auch wenn das Gericht den behördlichen Eingriff beschränkt hat, bleibt klar, dass Trunkenheitsfahrten strafbar sein können – auch mit dem Fahrrad oder E-Scooter. Wer mit mehr als 1,6 Promille auf dem Fahrrad erwischt wird, muss mit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) rechnen. Dies kann auch Auswirkungen auf eine spätere Führerscheinerteilung haben.
Fazit: Urteil stärkt die Rechte von Radfahrern und E-Scooter-Nutzern
Das Urteil des OVG Münster ist ein Meilenstein für die rechtliche Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit im Straßenverkehr. Es stellt klar: Auch unter Alkohol- oder Drogeneinfluss kann nicht automatisch das Recht entzogen werden, Fahrräder oder E-Scooter zu nutzen – sofern keine konkrete Gefahr besteht. Behörden müssen künftig sehr genau prüfen, ob ein solches Fahrverbot gerechtfertigt ist.
Die Entscheidung schützt die Mobilität ohne Führerschein und betont den Unterschied zwischen motorisierten Kraftfahrzeugen und fahrerlaubnisfreien Fortbewegungsmitteln. Für alle Verkehrsteilnehmer ist damit ein wichtiges Zeichen gesetzt: Der Gesetzgeber darf nicht pauschal eingreifen – und muss differenzierte, klare Regelungen schaffen.
Quelle(n): Quelle | OVG Münster, Beschluss vom 5.12.2024, 16 B 175/23, PM vom 6.12.2024 Bild von Iulian Scutelnicu auf Pixabay