Artikel vom 21.02.2025

Fahrtüchtigkeitstests der Polizei: Rechtliche und praktische Herausforderungen

Vom 29. bis 31. Januar 2025 fand in Goslar der 63. Deutsche Verkehrsgerichtstag statt. Einer der zentralen Themenschwerpunkte ist die polizeiliche Überprüfung der Fahrtüchtigkeit von Fahrzeugführern. Unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Müller von der Hochschule der Sächsischen Polizei wird Arbeitskreis VII sich intensiv mit der Frage beschäftigen, inwiefern die Polizei Fahrtüchtigkeitstests durchführen darf und welche rechtlichen sowie praktischen Herausforderungen sich daraus ergeben.

Besondere Relevanz erhält dieses Thema durch die zunehmenden Fälle von Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss sowie durch die kürzlich erfolgte Legalisierung von Cannabis. Zudem stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang die Polizei auch sogenannte fahrerlaubnisrelevante Mängel feststellen darf, insbesondere bei älteren Verkehrsteilnehmern.

Differenzierung zwischen Fahrsicherheit und Fahreignung

Die Polizei spielt eine zentrale Rolle bei der Erhöhung der Verkehrssicherheit, insbesondere durch die Kontrolle von Fahrzeugführern auf ihre Fahrtüchtigkeit. Dabei ist es entscheidend, zwischen der aktuellen Fahrsicherheit – also der Fähigkeit, ein Fahrzeug zum Kontrollzeitpunkt sicher zu führen – und der generellen Fahreignung, die durch langfristige gesundheitliche oder kognitive Einschränkungen beeinflusst werden kann, zu unterscheiden.

In der Praxis gestaltet sich die rechtliche Einordnung oft als schwierig. So stellt sich die Frage, ob ein auffälliges Fahrverhalten oder eine rauschmittelbedingte Beeinträchtigung bereits den Verdacht auf eine Straftat gemäß § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) begründet oder lediglich als Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG (Fahren unter Drogeneinfluss) eingestuft werden kann. Diese Differenzierung hat erhebliche Konsequenzen für die weiteren polizeilichen Maßnahmen, wie etwa die Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins.

Einführung standardisierter Fahrtüchtigkeitstests

Um eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Polizei zu schaffen, setzen einige Bundesländer mittlerweile auf standardisierte Fahrtüchtigkeitstests (SFT). Dieses Konzept, das sich an Methoden der US-amerikanischen Polizei orientiert, umfasst verschiedene neurologisch-physiologische Testverfahren, die Hinweise auf eine Beeinträchtigung durch Substanzen oder gesundheitliche Einschränkungen liefern sollen.

Die Testverfahren bestehen aus Augen-, Bewegungs- und Koordinationstests sowie einer Befragung zum gesundheitlichen Status des Fahrers. Die Ergebnisse dieser Tests können dazu beitragen, psychophysische Leistungsdefizite festzustellen, die einer Alkoholisierung von etwa 1,0 Promille entsprechen.

Ein rechtliches Problem ergibt sich jedoch aus der Tatsache, dass es keine Mitwirkungspflicht für betroffene Fahrzeugführer gibt. Da keine gesetzliche Grundlage für eine verpflichtende Teilnahme an den Tests existiert, müssen die Betroffenen über die Freiwilligkeit und mögliche Konsequenzen der Untersuchung belehrt werden.

Abgrenzung zwischen polizeilichen Maßnahmen und medizinischer Begutachtung

Während die Polizei bei Verdachtsfällen eine erste Einschätzung treffen kann, liegt die abschließende Beurteilung der Fahreignung in der Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörden. Diese stützen sich auf verkehrsmedizinische Gutachten, die von spezialisierten Ärzten und Verkehrspsychologen erstellt werden.

Die Standardisierung polizeilicher Maßnahmen kann dazu beitragen, Verdachtsmomente besser zu dokumentieren und so eine fundiertere Grundlage für spätere Entscheidungen zu schaffen. Allerdings sind klare Grenzen zu beachten: Polizeibeamte sind medizinische Laien, und ihre Einschätzungen können keine ärztliche Begutachtung ersetzen.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Praxis, dass SFT zunehmend auch bei älteren Fahrzeugführern zur Feststellung von gesundheitlichen Mängeln eingesetzt werden. In einigen Fällen hat dies bereits zur Sicherstellung des Führerscheins und zur Untersagung der Weiterfahrt geführt – Maßnahmen, die eigentlich in die Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörden fallen.

Rechtliche Herausforderungen und offene Fragen

Neben den praktischen Aspekten werfen die polizeilichen Fahrtüchtigkeitstests auch erhebliche rechtliche Fragen auf. So muss sichergestellt werden, dass die Tests nicht anlasslos erfolgen, sondern nur bei einem konkreten Verdacht angewendet werden. Andernfalls könnten sie als rechtswidriger Eingriff in die persönliche Freiheit betrachtet werden.

Auch die Belehrung über die Freiwilligkeit der Teilnahme spielt eine entscheidende Rolle. Die betroffenen Fahrzeugführer müssen verstehen, dass sie die Mitwirkung verweigern können, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Gleichzeitig muss die Polizei sicherstellen, dass die Belehrung zu einem angemessenen Zeitpunkt erfolgt und die möglichen Folgen einer Mitwirkung klar kommuniziert werden.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Dokumentation der Tests. Da Polizeibeamte später häufig nicht mehr als Zeugen befragt werden, sondern Verwaltungsbehörden und Gerichte allein auf die schriftliche Dokumentation angewiesen sind, müssen die Erfassungsbögen besonders sorgfältig ausgearbeitet werden.

Schlusswort

Die Einführung standardisierter Fahrtüchtigkeitstests kann einen wertvollen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten. Sie bietet der Polizei eine zusätzliche Möglichkeit, Fahrunsicherheiten frühzeitig zu erkennen und Verdachtsmomente besser zu dokumentieren. Gleichzeitig müssen jedoch klare rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Abgrenzung zwischen polizeilicher Kontrolle und medizinischer Begutachtung zu gewährleisten.

Der Arbeitskreis VII auf dem 63. Deutschen Verkehrsgerichtstag wird diese Fragen intensiv diskutieren und dabei insbesondere die Rolle der Polizei, die rechtlichen Grenzen ihrer Maßnahmen und die Auswirkungen auf betroffene Fahrzeugführer beleuchten.


Quelle(n): https://deutscher-verkehrsgerichtstag.de/media//Editoren/63.VGT/63.VGTKurzfassungAKVIIgesamt.pdf


×