Artikel vom 05.05.2025

Führerscheinentzug wegen Cannabis – Was sich mit der Legalisierung wirklich ändert

Seit dem 1. April 2024 ist der Konsum von Cannabis in Deutschland unter bestimmten Bedingungen legal. Doch was bedeutet das für Personen, denen vor diesem Datum aufgrund früheren Cannabiskonsums die Fahrerlaubnis entzogen wurde? Besonders brisant wird diese Frage, wenn man bedenkt, dass viele Betroffene vor Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes keine Chance hatten, von der Gesetzesänderung zu profitieren. In diesem Artikel beleuchten wir anhand eines aktuellen Falls, wie die neue Rechtslage zu bewerten ist und welche Auswirkungen sie auf die Wiedererlangung des Führerscheins haben kann.

Führerscheinentzug wegen Cannabis: Alte Rechtslage, neue Realität

Vor der Legalisierung galt: Wer regelmäßig Cannabis konsumierte, galt in der Regel als fahrungeeignet – unabhängig davon, ob er oder sie unter Drogeneinfluss am Steuer saß. Die Fahrerlaubnis konnte entzogen werden, sobald ein entsprechender Verdacht bestand oder ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) eine Drogenproblematik bestätigte. Zahlreiche Menschen verloren auf dieser Grundlage ihren Führerschein – häufig dauerhaft.

Seit dem 1. April 2024 sieht die Sache anders aus: Die neue Gesetzeslage differenziert stärker zwischen gelegentlichem Konsum und tatsächlicher Fahruntauglichkeit. Dennoch bleibt der Entzug der Fahrerlaubnis in bestimmten Fällen weiterhin möglich.

Aktueller Fall: Fahrerlaubnisentzug trotz Cannabis-Legalisierung

Ein aktueller Fall aus Bayern verdeutlicht die Problematik. Eine Frau verlor ihre Fahrerlaubnis nach einem Suizidversuch unter Einfluss psychoaktiver Medikamente und einer langjährigen Cannabiserfahrung. Obwohl keine aktive Fahruntauglichkeit nachgewiesen wurde, bescheinigte ein medizinisch-psychologisches Gutachten eine mögliche Rückfallgefahr. Die Fahrerlaubnis wurde daher entzogen.

Nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes im April 2024 beantragte die Frau die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Führerscheinentzug. Sie argumentierte, dass der neue rechtliche Rahmen ihren Fall milder beurteilen müsse – zumal sie nachweislich nicht unter Drogeneinfluss gefahren sei.

Neue Gesetzeslage: Was sagt das Cannabisgesetz zur Fahreignung?

Das neue Cannabisgesetz hat auch Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Insbesondere der neu gefasste § 13a FeV regelt, wann eine medizinisch-psychologische Untersuchung erforderlich ist. Früher genügte regelmäßiger Konsum für die Annahme der Fahruntauglichkeit. Jetzt muss nachgewiesen werden, dass jemand nicht in der Lage ist, Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr sicher zu trennen.

Wichtig: Wer regelmäßig konsumiert, ist nicht automatisch fahruntauglich. Es kommt auf die individuelle Trennfähigkeit an. Diese neue Regelung nimmt die starre Annahme eines Kontrollverlusts zurück und verpflichtet Behörden, genauer hinzusehen.

Was bedeutet das für Betroffene eines früheren Führerscheinentzugs?

Hier liegt die rechtliche Herausforderung. Denn Gerichte müssen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Behördenbescheids bewerten – und nicht rückwirkend aufgrund späterer Gesetzesänderungen. Das bedeutet: Auch wenn heute eine andere rechtliche Bewertung möglich wäre, bleibt die frühere Entscheidung rechtlich bindend.

Die Folge: Ein erneuter Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ist erforderlich. Die Entziehung bleibt bestehen, es sei denn, ein Verwaltungsgericht erkennt in Einzelfällen eine unzumutbare Härte oder einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Wiedererteilung der Fahrerlaubnis: Welche Voraussetzungen gelten jetzt?

Nach der neuen Rechtslage ist der Nachweis eines stabilen Verzichts auf riskanten Konsum und eine sichere Trennfähigkeit zwischen Konsum und Autofahren entscheidend. Die Anforderungen an Abstinenznachweise wurden gesenkt, sofern keine weiteren verkehrsrelevanten Umstände vorliegen. Besonders bei Cannabiskonsum ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen notwendig, z. B. bei konkreten Zweifeln an der Fahreignung.

Für die Betroffene im geschilderten Fall bedeutet das: Im Wiedererteilungsverfahren dürfte eine neue MPU nicht automatisch angeordnet werden. Auch die bisherigen Urinuntersuchungen sowie die Einschätzung ihrer Psychiaterin könnten positiv bewertet werden, wenn kein Missbrauch mehr vorliegt.

Rechtsgrundlage: FeV, § 13a und die Bedeutung des neuen Missbrauchsbegriffs

Im Fokus steht der geänderte Missbrauchsbegriff: Cannabismissbrauch liegt laut FeV nur noch dann vor, wenn das Risiko besteht, dass Konsum und Verkehrsteilnahme nicht hinreichend getrennt werden können. Die frühere pauschale Bewertung von regelmäßigem Konsum als Missbrauch ist damit passé.

Das hat weitreichende Folgen für die Anordnung medizinischer Gutachten. Nur noch bei begründeten Zweifeln an der Trennfähigkeit kann eine MPU verlangt werden. Der Gesetzgeber will damit eine Gleichstellung von Alkohol- und Cannabiskonsum im Fahrerlaubnisrecht erreichen.

Gerichtliche Bewertung: Keine Rückwirkung – aber Spielraum durch Einzelfallabwägung

In dem konkreten Fall entschied das Gericht, dass die frühere Fahrerlaubnisentziehung rechtmäßig war – weil die alte Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung galt. Dennoch könne im Wiedererteilungsverfahren die neue Rechtslage maßgeblich sein, insbesondere weil die Voraussetzungen für eine MPU nicht mehr vorlägen.

Die Beurteilung der gegenwärtigen Fahreignung bleibt dem Wiedererteilungsverfahren vorbehalten. Das bedeutet: Wer betroffen ist, muss aktiv werden und den Antrag auf Wiedererteilung stellen – mit allen notwendigen Nachweisen.

Was Betroffene jetzt tun sollten

Die Legalisierung von Cannabis verändert auch die Spielregeln im Fahrerlaubnisrecht – aber nicht rückwirkend. Wer vor dem 1. April 2024 den Führerschein aufgrund von Cannabiskonsum verlor, muss die Neuerteilung aktiv beantragen. Dabei zählen nun neue Bewertungskriterien:

  • Keine automatische MPU bei regelmäßigem Cannabiskonsum

  • Keine Fahreignungsausschlüsse bei gelegentlichem Konsum ohne weitere Auffälligkeiten

  • Wichtig bleibt: Nachweisbare Trennung von Konsum und Fahren


Quelle(n): https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2025-N-7922?hl=true


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