Artikel vom 27.02.2023

Haftungskürzung wegen Mitverschuldens bei Nichtanlegen des Sicherheitsgurts: Bundesgerichtshof klärt Rechtsfrage

Bei einem Zweitunfall kann eine Haftungskürzung wegen Mitverschuldens bei Nichtanlegen des Sicherheitsgurts angenommen werden. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil klargestellt. Die Klägerin hatte Schadensersatz unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 1/3 begehrt.

Die Erstinstanzen und die Revision vor dem BGH

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Haftungsquote grundsätzlich auf 60 % abgesenkt. Da die Klägerin bei dem Zweitunfall nicht angeschnallt war, hat es hinsichtlich des der Klägerin infolge ihrer Körperverletzung entstandenen Schadens einen höheren Mitverursachungsanteil angenommen und insoweit eine Haftungsquote von nur 40 % angeordnet. Mit der Revision wollte die Klägerin eine Haftung der Beklagten hinsichtlich sämtlicher Schäden mit einer einheitlichen Quote von 60 % erreichen.

Entscheidung des BGH

Die Revision hatte Erfolg. Nach § 21a Abs. 1 StVO* müssen vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt grundsätzlich angelegt sein. Da die Beklagten hier nur für die Folgen des Zweitunfalls haften, ist für die Frage der Mitverursachung durch die Klägerin allein von Bedeutung, ob zum Zeitpunkt des Zweitunfalls noch eine Anschnallpflicht bestand. Dies war nicht der Fall, denn der Aufprall des von dem Beklagten zu 1 gelenkten Pkw ereignete sich nicht "während der Fahrt" ihres eigenen Pkw. Nachdem es zu diesem Unfall gekommen war, war die Klägerin mithin nicht nur berechtigt, den Gurt zu lösen, sondern gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO** sogar dazu verpflichtet. Ihr kann deshalb nicht angelastet werden, dass sie unangeschnallt gewesen war, als sich der Zweitunfall ereignete.


Quelle(n): Bundesgerichtshof Urteil vom 28. Februar 2012 – VI ZR 10/11


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