Artikel vom 28.10.2025

Kein Vollkaskoschutz bei alkoholbedingtem Unfall – 1,98 Promille führen zu Leistungsfreiheit der Versicherung

Ein aktuelles Urteil des Kammergerichts Berlin verdeutlicht die rechtlichen Konsequenzen, wenn ein Fahrer in absolut fahruntüchtigem Zustand einen Unfall verursacht. Im Jahr 2020 war ein Versicherungsnehmer mit seinem Porsche 911 Carrera in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt. Die Entscheidung zeigt, dass in solchen Fällen die Vollkaskoversicherung keine Leistungen erbringt und klärt zugleich zentrale Fragen des Verkehrsrechts, der Fahrerhaftung und der Versicherungsbedingungen.

Alkohol am Steuer als grobe Fahrlässigkeit

Der Versicherungsnehmer war mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,98 Promille unterwegs, als er in einer Kurve von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug geriet zunächst auf den Gehweg, prallte gegen ein Verkehrsschild und schließlich gegen ein Gebäude. Solche Umstände erfüllen nach § 81 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) die Voraussetzungen für grob fahrlässiges Verhalten. Wer sich in absolut fahruntüchtigem Zustand ans Steuer setzt, handelt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich grob fahrlässig, da die Gefahr eines schweren Verkehrsunfalls vorhersehbar und vermeidbar ist.

Entscheidung des Landgerichts Berlin

Der Versicherungsnehmer klagte zunächst vor dem Landgericht Berlin auf Zahlung der Vollkaskoversicherung. Die Versicherung verweigerte die Leistung aufgrund der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit. Das Landgericht bestätigte die Auffassung der Versicherung. Die Begründung stützte sich auf die klaren Vorschriften des VVG: Bei grober Fahrlässigkeit ist die Versicherung leistungsfrei. Das Gericht sah den Unfall als eine direkte Folge der absoluten Fahruntüchtigkeit, die eine Beherrschung des Fahrzeugs unmöglich machte.

Bestätigung durch das Kammergericht Berlin

In der Berufungsinstanz bestätigte das Kammergericht Berlin die Entscheidung des Landgerichts. Das Gericht stellte eindeutig fest, dass der Kläger durch seine Alkoholisierung die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte und dadurch einen erheblichen Verkehrsverstoß beging. Das Kammergericht hob hervor, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs in einem Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit als grob fahrlässig gilt. Die Vollkaskoversicherung ist in solchen Fällen gemäß § 81 Abs. 2 VVG von der Leistung frei.

Rechtslage bei Fahruntüchtigkeit und Versicherungsschutz

Die Rechtsprechung differenziert zwischen einfacher Fahrlässigkeit, grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Während einfache Fahrlässigkeit in der Regel von der Versicherung abgedeckt wird, führt grobe Fahrlässigkeit zur Leistungsfreiheit. Absolut fahruntüchtige Fahrer überschreiten diese Schwelle regelmäßig. In der Praxis bedeutet dies, dass bereits ab einer Blutalkoholkonzentration von etwa 1,6 Promille der Versicherer leistungsfrei sein kann.

Alkoholverstöße und Verkehrsrechtliche Folgen

Neben der zivilrechtlichen Haftung gegenüber der Versicherung greifen auch die straf- und verkehrsrechtlichen Regelungen. Nach § 316 StGB ist das Führen eines Fahrzeugs in fahruntüchtigem Zustand strafbar. Bei 1,98 Promille ist nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat erfüllt, die zu Geldstrafen, Führerscheinentzug oder Freiheitsstrafe führen kann. Das Urteil des Kammergerichts betont, dass solche Verstöße nicht durch Versicherungsleistungen kompensiert werden können, da sie als selbstverschuldete Risiken zu werten sind.

Versicherungspraxis und Vollkaskoschutz

Für Versicherungsnehmer bedeutet dieses Urteil, dass die Vollkaskoversicherung nicht automatisch alle Schäden am eigenen Fahrzeug deckt. Die Leistungsfreiheit nach § 81 Abs. 2 VVG greift, sobald grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Im Bereich des Verkehrsrechts wird diese grobe Fahrlässigkeit besonders streng bewertet, wenn die Fahruntüchtigkeit durch Alkohol, Drogen oder extreme Fahrfehler verursacht wurde. Versicherer prüfen in solchen Fällen detailliert, ob ein Unfall durch Eigenverschulden vermeidbar gewesen wäre.

Wichtige Hinweise für Fahrzeughalter

Dieses Urteil unterstreicht, wie entscheidend vorausschauendes und verantwortungsbewusstes Fahren ist. Fahrzeughalter sollten beachten:

  • Alkohol am Steuer führt nicht nur zu strafrechtlicher Verantwortung, sondern kann auch den Versicherungsschutz vollständig aufheben.

  • Schon leichte Fahruntüchtigkeit kann im Schadensfall die Leistungsansprüche reduzieren, ab 1,6 Promille ist grobe Fahrlässigkeit meist gegeben.

  • Versicherungsverträge enthalten klare Ausschlussklauseln für grob fahrlässige Handlungen, die auch rechtlich überprüfbar sind.

Praktische Bedeutung für Verkehrsteilnehmer

Das Kammergericht Berlin macht deutlich: Wer sich alkoholisiert ans Steuer setzt, riskiert neben strafrechtlichen Sanktionen auch, dass die Versicherung nicht zahlt. Das Urteil dient als praxisrelevantes Beispiel für die strikte Trennung von Eigenverschulden und Versicherungsleistungen. Versicherer sind nicht verpflichtet, Schäden zu übernehmen, wenn das Risiko durch den Versicherungsnehmer bewusst erhöht wurde.

Fazit im Sinne des Verkehrsrechts

Die Entscheidung zeigt, dass das deutsche Verkehrsrecht und das Versicherungsrecht eng miteinander verbunden sind. Absolut fahruntüchtige Fahrer tragen das volle Risiko für verursachte Schäden. Für Vollkaskoversicherungen ist die grobe Fahrlässigkeit ein entscheidender Ausschlussgrund. Für Verkehrsteilnehmer bedeutet dies eine klare Handlungsanweisung: Alkohol am Steuer ist nicht nur strafbar, sondern hat auch direkte finanzielle Konsequenzen, da der Versicherungsschutz entfällt.


Quelle(n): Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03.05.2022, Az. 6 U 39/21 Bild von Michal Jarmoluk auf Pixabay


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