Artikel vom 22.04.2025
MPU Probezeit: Wann eine medizinisch-psychologische Untersuchung in der Probezeit droht
Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) ist für viele Autofahrer ein Schreckgespenst – insbesondere für Fahranfänger in der Probezeit. Doch ab wann kann eine MPU in der Probezeit angeordnet werden? Und wie verhält es sich, wenn jemand seine Fahrerlaubnis freiwillig zurückgibt und später neu beantragt? Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bringt Licht in eine bisher kaum beachtete Regelungslücke. In diesem Artikel erfährst du alles, was du zum Thema MPU in der Probezeit wissen musst – rechtliche Hintergründe, Praxisbeispiele und wichtige Tipps, um die Fahrerlaubnis nicht zu gefährden.
Die Fahrerlaubnis auf Probe: Was bedeutet das?
Seit 1986 wird jede erstmalig erteilte Fahrerlaubnis der Klassen A und B in Deutschland zunächst auf Probe erteilt. Diese Probezeit dauert zwei Jahre und soll Fahranfänger zu einem verantwortungsbewussten Verhalten im Straßenverkehr erziehen. Verstöße während dieser Zeit haben besondere Konsequenzen, wie z. B.:
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die Pflicht zur Teilnahme an einem Aufbauseminar,
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eine Verlängerung der Probezeit um zwei weitere Jahre,
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oder sogar die Anordnung einer MPU.
Gerade Letzteres sorgt regelmäßig für Diskussionen – insbesondere dann, wenn rechtlich unklar ist, ob eine MPU wirklich verlangt werden darf. Ein besonders spannender Fall hierzu wurde 2024 vom Bundesverwaltungsgericht entschieden.
MPU in der Probezeit: Der konkrete Fall
Ein Mann hatte im Jahr 2014 erstmals die Fahrerlaubnis der Klasse B erhalten. Bei mehreren Verkehrskontrollen stellte die Polizei Cannabis-Konsum fest. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte daraufhin ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU), das negativ ausfiel. Statt einem Entzug kam der Mann der Entscheidung zuvor und verzichtete freiwillig auf seinen Führerschein.
Im Jahr 2020 erhielt er nach Vorlage eines positiven MPU-Gutachtens die Fahrerlaubnis erneut. Nur zwei Monate später jedoch missachtete er eine rote Ampel – eine schwerwiegende Ordnungswidrigkeit. Daraufhin ordnete die Behörde erneut eine MPU an und stützte sich dabei auf § 2a Abs. 5 Satz 5 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Nachdem das geforderte Gutachten nicht eingereicht wurde, wurde ihm der Führerschein entzogen.
MPU wegen Verstoß in der neuen Probezeit – geht das?
Der zentrale Streitpunkt des Falls war die Frage, ob § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG auch dann anwendbar ist, wenn der Betroffene seine Fahrerlaubnis nicht entzogen bekam, sondern freiwillig darauf verzichtet hat. Denn wörtlich heißt es im Gesetz, dass diese Vorschrift nur nach einer „Entziehung“ gilt. Die erste Instanz, das Verwaltungsgericht, hob die Entziehung der Fahrerlaubnis daher auf.
Das Oberverwaltungsgericht jedoch kam zu einem anderen Ergebnis. Es argumentierte, dass ein bewusster Verzicht auf den Führerschein genauso zu behandeln sei wie eine behördliche Entziehung – sonst könnten Betroffene durch eine simple Verzichtserklärung die strengen Regeln der Probezeit umgehen.
Bundesverwaltungsgericht bestätigt: MPU auch nach Verzicht möglich
Die finale Entscheidung traf das Bundesverwaltungsgericht am 10. Oktober 2024 (Az.: 3 C 3.23). Es folgte der Auffassung des OVG und stellte klar:
Die Vorschrift des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG ist auch dann anwendbar, wenn eine Person während der Probezeit auf ihre Fahrerlaubnis verzichtet und später eine neue Fahrerlaubnis erteilt bekommt.
Das Gericht sah in der bisherigen Regelungslage eine ungewollte Lücke. Der Gesetzgeber habe ursprünglich nicht bedacht, dass Fahranfänger durch den Verzicht und späteren Neuerwerb der Fahrerlaubnis die Auflagen der Probezeit umgehen könnten. Damit wäre das Ziel des Gesetzes – mehr Sicherheit durch Erziehung zur Vorsicht bei jungen Fahrern – gefährdet. Deshalb müsse der Anwendungsbereich entsprechend ausgelegt werden.
Warum diese Entscheidung wichtig ist
Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für alle Fahranfänger. Wer während der Probezeit gegen Verkehrsregeln verstößt, dem drohen je nach Schwere der Tat:
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eine Verlängerung der Probezeit auf insgesamt vier Jahre,
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ein Aufbauseminar zur Verhaltenskorrektur,
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oder eine MPU, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen.
Wer glaubt, sich durch den freiwilligen Verzicht auf den Führerschein vor diesen Konsequenzen drücken zu können, irrt. Die Behörden dürfen auch bei freiwilligem Verzicht auf eine erneute MPU bestehen, wenn eine neue Probezeit beginnt und erneut Verstöße auftreten.
Die MPU wird nicht automatisch bei jedem Verstoß in der Probezeit angeordnet. Es handelt sich um eine Maßnahme, die dann zum Tragen kommt, wenn Zweifel an der charakterlichen oder psychischen Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs bestehen. Häufige Gründe für eine MPU in der Probezeit sind:
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wiederholter Drogen- oder Alkoholkonsum,
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massive Aggressionen im Straßenverkehr (z. B. Nötigung, Raserei),
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schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten wie Rotlichtverstöße oder Unfälle unter Einfluss.
Die MPU umfasst in der Regel mehrere Teile: eine medizinische Untersuchung, eine psychologische Einschätzung und in vielen Fällen Leistungstests. Ziel ist es, das Gefahrenpotenzial des Fahrers zu bewerten.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts schafft klare Verhältnisse: Wer in der Probezeit gegen Verkehrsregeln verstößt und später erneut auffällig wird, muss mit einer MPU rechnen – auch dann, wenn der Führerschein zwischendurch freiwillig abgegeben wurde. Der Versuch, die Probezeit durch geschicktes Taktieren zu umgehen, ist damit gescheitert.
Für Fahranfänger bedeutet das: Wer den Führerschein behalten will, sollte sich von Anfang an an die Verkehrsregeln halten – und im Zweifel professionelle Beratung suchen, wenn eine MPU droht. Denn eines ist jetzt klar: Die Regeln der Probezeit gelten konsequent – ohne Ausnahmen.
Quelle(n): Bundesverwaltungsgericht – Urteil vom 10.10.2024