Artikel vom 02.02.2021

Rechtsprechung Handyverstoß Urteil Stand 02/21

1. Halten im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 StVO

„Einklemmen zwischen Ohr und Schulter“, OLG Köln, Beschluss vom 4.12.2020 Az. 1 RBs 347/20, DAR 2021, 107

Nach Ansicht des OLG Köln liegt ein im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 StVO tatbestandsmäßiges „Halten“ auch vor, wenn das elektronische Gerät zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt wird.

Aufgrund des bei einer Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Messfotos stand fest, dass die Betroffene ihr Mobiltelefon zwischen Schulter und Kopf eingeklemmt hatte. Sie räumte auch ein, telefoniert zu haben. Allerdings habe sie das Telefon bereits vor Fahrtantritt zwischen Schulter und Kopf eingeklemmt. Das Tatgericht verurteilte die Betroffene in dieser Sache.

Nach Ansicht des OLG Köln liegt ein tatbestandsmäßiges „Halten“ im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 StVO auch dann vor, wenn das elektronische Gerät zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt wird. Zwar genüge ein Aufnehmen des elektronischen Geräts in dem Zeitpunkt, in dem der Motor des Fahrzeugs abgeschaltet ist, nicht zur Tatbestanderfüllung („wer ein Fahrzeug führt…“, sowie § 23 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 StVO). Ein Halten sei aber dem Wortsinn zufolge auch ohne Benutzung der Hände möglich. Neben der Verhinderung solcher Verhaltensweisen, bei denen der Fahrzeugführer nicht mehr beide Hände zum Lenken des Fahrzeugs zur Verfügung hat, läge der Zweck der Norm in der Verhinderung solcher Tätigkeiten, die sich abträglich auf die Notwendigkeit der Konzentration auf das Verkehrsgeschehen auswirken.

Die hier durchgeführte fahrfremde Tätigkeit berge zudem ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential, da Schulterblick und Blick in den Spiegel erschwert würden und die Aufmerksamkeit
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des Fahrers über Gebühr beansprucht werde. Zudem bestehe das Risiko, dass das Handy herunterfalle und der Fahrer reflexhaft reagiere. Bei Nutzung einer Freisprecheinrichtung müsse sich der Fahrer dagegen keine Gedanken bezüglich der Stabilität der Halterung machen.

Dass nach der Verordnungsbegründung unter „Halten“ ein „in der Hand halten“ verstanden werde stehe der Ausdehnung auf das Einklemmen nicht entgegen.

Hinweis: Wie das OLG Köln in dieser Entscheidung selbst einräumt, hatte es in seiner Entscheidung zur Laptop-„Nutzung“ auf dem Schoß (OLG Köln, Beschluss vom 14.2.2019, Az. III-1 RBs 45/19, DAR 2019, 398) in Bezug auf die Verordnungsbegründung noch eine abweichende Auslegung vertreten. Darin hatte das Gericht geäußert, unter „Halten“ sei nur ein „in der Hand halten“ zu verstehen. Hieran halte es nicht mehr fest.

2. Elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO

• „Scanner eines Paketauslieferungsfahrers“, OLG Hamm, Beschluss vom 3.11.2020 Az. 4 RBs 345/20, DAR 2021, 107

Nach Ansicht des OLG Hamm ist der Scanner eines Paketauslieferungsfahrers ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO.

Der Betroffene nutzte beim Fahren einen Scanner, indem er diesen mit seiner rechten Hand halbhoch hielt und Tippbewegungen durchführte. Der Scanner zeigt die Lieferadresse der auszuführenden Aufträge an. Auf dem Scanner bestätigt er, einen Auftrag erledigt zu haben, was sodann der Spedition mitgeteilt wird. Vom Aussehen her ähnelt der Scanner einem Mobiltelefon; er verfügt wie ein Mobiltelefon über eine Tastatur und ein Display.

Das OLG Hamm bestätigt den Vorwurf der illegalen Nutzung eines elektronischen Geräts. Aufgrund der Mitteilungsfunktion an die Spedition diene das Gerät auch der Kommunikation. Durch das in der Hand halten und darauf tippen nahm der Betroffene das Gerät auf und bediente es. Die Bedienung des Geräts erfolge weitgehend in gleicher Weise wie bei einem Mobiltelefon und führe ebenso wie dieses zur Ablenkung des Fahrers.

• „Fernbedienung eines Navigationsgeräts“, OLG Köln, Beschluss vom 05.02.2020, Az. III-1 RBs 27/20, ZfS 2020, 590

Nach Ansicht des OLG Köln ist die Fernbedienung eines Navigationsgerätes ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO.

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Der Pkw des Betroffenen ist mit einem Navigationsgerät ausgestattet, dessen Funktionen über eine manuelle Fernbedienung gesteuert werden können. Für diese Fernbedienung ist eine Halterung am Armaturenbrett installiert. Zwar kann die Fernbedienung auch in der Halterung bedient werden, der Betroffene nahm die Fernbedienung jedoch während der Fahrt aus der Halterung in die rechte Hand und gab anschließend Befehle ein, um so das Navigationsgerät zu bedienen. Das AG Siegburg hatte ihn daher wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt.

Das OLG bestätigte, dass es sich bei der genutzten Fernbedienung um ein "der Information oder Organisation dienendes elektronisches Gerät" im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO handelt. Die Fernbedienung steuere als elektronisches Gerät das zum Endgerät gelangende Signal mittels elektronischer Schaltungen unter Nutzung einer eigenen Stromversorgung. Sie diene auch der Organisation der Ausgabe auf dem Display des ausdrücklich in § 23 Abs. 1a S. 2 StVO genannten Navigationsgerätes. Das Bußgeld sei daher zu Recht verhängt worden.

• „Powerbank“

Dass eine Powerbank kein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO darstellt, haben

- OLG Hamm (Beschluss vom 28.5.2019, Az. 4 RBs 92/19, DAR 2019, 632) und - OLG Koblenz (Beschluss vom 21.12.2020, Az. 2 OWi 6 SsRs 374/20)

entschieden.

Bei der ersten Entscheidung telefonierte der Betroffene über die Freisprecheinrichtung und hantierte dabei mit der Powerbank und einem Ladekabel. Da das Mobiltelefon wegen niedrigem Akkustand auszugehen drohte, steckte er es an das Ladekabel und die Powerbank an. Nach Ansicht des OLG Hamm diene eine Powerbank und ein Ladekabel nur der Energieversorgung von Geräten der Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungselektronik, sie selbst seien aber keine solchen Geräte. Damit gehe von der Nutzung von Ladekabel und Powerbank bei der Fahrzeugführung nicht zwangsläufig bzw. typischerweise eine vergleichbare Ablenkungswirkung aus wie von der Nutzung „klassischer“ elektronischer Geräte. Zudem habe eine Powerbank gerade kein Display. Damit erteilt das OLG Hamm eine klare Absage an die Vorinstanz, die mit der „Geräteeinheit“ von Mobiltelefon und Powerbank argumentierte und den Betroffenen verurteilte. Es sei gerade nicht tatbestandsmäßig, wenn ausschließlich das eingesteckte Ladekabel angefasst, bewegt und mit einer Powerbank verbunden werde.

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3. Schutzbehauptung „Bartpflege“

„Nutzung einer Haarbürste zur Bartpflege“, AG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.06.2020, Az. 971 OWi 363 Js 72112/19

Das AG Frankfurt hat gegen einen Busfahrer eine Geldbuße wegen Handynutzung am Steuer festgesetzt. Den Einwand des Betroffenen er habe sich mit einer Haarbürste den Bart gekämmt, hatte das Gericht als Schutzbehauptung eingestuft.

Der Betroffene gab bei einer Polizeikontrolle zur Feststellung von „Handyverstößen“ an, mit einer weißen Haarbürste seinen Bart gekämmt zu haben. Vor Gericht wurde die Bürste in Augenschein genommen und eine Divergenz zu der Form des Gegenstands auf einem in Zusammenhang mit der Kontrolle angefertigten Foto festgestellt. Die Fotosequenz zeige zudem, dass sich das benutzte Gerät immer an der gleichen Stelle befand. Ein Kämmvorgang ist dem nicht zu entnehmen.

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Quelle: ADAC - Mitteilung der juristischen Zentrale 14/2021


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