Artikel vom 21.02.2025

Schienenersatzverkehr: Herausforderungen und Fahrgastrechte

Wachsende Bedeutung des Schienenersatzverkehrs

Der Schienenersatzverkehr (SEV) hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle im deutschen Verkehrsnetz spielen. Die Ursachen dafür liegen vor allem in der intensiveren Bautätigkeit auf den Schienen und den immer häufiger auftretenden witterungsbedingten Störungen, die dazu führen, dass Strecken vorübergehend gesperrt werden müssen. In solchen Fällen müssen Reisende auf Busse ausweichen, die anstelle der Züge eingesetzt werden. Besonders problematisch ist dies für Reisende, die ihre geplante Bahnfahrt nicht fortsetzen können und stattdessen auf den SEV angewiesen sind. Diese Situation stellt sowohl die betroffenen Fahrgäste als auch die Verkehrsunternehmen vor große Herausforderungen, die sowohl praktischer als auch rechtlicher Natur sind.

Probleme für Fahrgäste und Unternehmen

Für die Fahrgäste ergeben sich im Schienenersatzverkehr eine Vielzahl von Problemen, die häufig zu Unzufriedenheit und Frustration führen. Eines der größten Hindernisse ist die oft unzureichende und späte Information über den Ersatzverkehr. Während auf großen Bahnhöfen immerhin noch einige Informationen zu finden sind, mangelt es in vielen Fällen an einer ordnungsgemäßen Beschilderung der Wege, die zu den Ersatzbussen führen. Besonders problematisch wird dies auf kleineren Bahnhöfen, wo oft keine ausreichende Wegeleitung vorhanden ist. In vielen Fällen fehlt es an grundlegenden Annehmlichkeiten wie Beleuchtung und Wetterschutz, was das Warten auf den Ersatzverkehr in kalten oder regnerischen Bedingungen besonders unangenehm macht. Hinzu kommt, dass die Barrierefreiheit bei vielen Ersatzbussen nicht gewährleistet ist. Dies stellt insbesondere mobilitätseingeschränkte Reisende vor erhebliche Herausforderungen.

Die Situation wird weiter erschwert, wenn Fahrgäste auf gefährliche Wege angewiesen sind, die im öffentlichen Straßenraum verlaufen. Diese Wege müssen oft unter Zeitdruck bewältigt werden, was das Risiko von Unfällen oder Missverständnissen erhöht. Die Verantwortung für die Organisation des SEV liegt bei den jeweiligen Verkehrsunternehmen, doch diese stehen vor praktischen Schwierigkeiten. So müssen die Busse auf Straßen fahren, die nicht auf den schnellen Ersatzverkehr ausgelegt sind. ÖPNV-Beschleunigungen fehlen oft, und es gibt zu wenige geeignete Haltestellen und Abstellflächen für die Busse. Auch die Suche nach qualifiziertem Fahrpersonal, das sich mit den Strecken auskennt, gestaltet sich zunehmend schwierig.

Fahrgastrechte im Schienenersatzverkehr

Neben den praktischen Herausforderungen gibt es auch eine rechtliche Problematik, die den Schienenersatzverkehr betrifft. Die Fahrgastrechte im Bahnverkehr sind durch europäische und nationale Vorschriften geregelt. Diese Regelungen basieren auf dem Beförderungsvertrag, der zwischen dem Fahrgast und dem Eisenbahnunternehmen geschlossen wird. Doch was passiert, wenn der Fahrgast statt im Zug im Ersatzbus sitzt? Die Verordnung (EU) 2021/782 regelt die Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr und garantiert unter anderem eine Informationspflicht und Entschädigungsansprüche für Reisende, die von Zugausfällen oder Verspätungen betroffen sind. Gleichzeitig regelt die Verordnung (EU) 181/2011 die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr, die für Busse zuständig ist.

Dies führt zu einer wichtigen Frage: Welche dieser Regelungen gilt für den SEV? Während der Ersatzbus eine Busbeförderung darstellt, die prinzipiell unter die Verordnung (EU) 181/2011 fällt, bleibt unklar, ob auch für diese Busfahrt weiterhin die Regeln des Eisenbahnverkehrs anwendbar sind. Es stellt sich auch die Frage, wer während der Busbeförderung für Informationen und Serviceleistungen zuständig ist – das Eisenbahnunternehmen, das den Ersatzverkehr organisiert, oder das Busunternehmen, das die Beförderung tatsächlich durchführt? Diese Unklarheiten führen zu Unsicherheit und Ungerechtigkeiten, da Fahrgäste nicht genau wissen, auf welche Rechte sie sich berufen können.

Notwendigkeit gesetzlicher Klarstellungen

Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Schienenersatzverkehrs, vor allem im Zusammenhang mit der Generalsanierung der Hochleistungskorridore der Deutschen Bahn, wird es immer dringlicher, gesetzliche Klarstellungen in Bezug auf die Rechte der Fahrgäste im SEV zu schaffen. In den kommenden Jahren wird der SEV auf vielen Strecken ein fester Bestandteil des Verkehrssystems sein, was eine klare rechtliche Grundlage für alle Beteiligten erforderlich macht. Nur so kann sichergestellt werden, dass Fahrgäste im Falle eines Ersatzverkehrs klare und verlässliche Informationen erhalten und ihre Rechte gewahrt bleiben.

Eine gesetzliche Regelung würde nicht nur den Fahrgästen mehr Sicherheit und Transparenz bieten, sondern auch den Verkehrsunternehmen helfen, den SEV effizienter zu gestalten und einen besseren Service anzubieten. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen eindeutig festgelegt sind, könnten Unternehmen besser auf die Herausforderungen des Schienenersatzverkehrs reagieren und die bestehenden Probleme wie mangelhafte Information und unzureichende Infrastruktur angehen. Auch für die Fahrgäste würde eine klare Regelung bedeuten, dass sie ihre Ansprüche im Falle von Unregelmäßigkeiten oder Verspätungen besser durchsetzen können.

Fazit

Der Schienenersatzverkehr wird in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen. Damit dieser Verkehrsträger sowohl für Fahrgäste als auch für die Verkehrsunternehmen effektiv und fair gestaltet werden kann, ist eine gesetzliche Klarstellung hinsichtlich der Fahrgastrechte und der Verantwortlichkeiten im SEV unerlässlich. Nur durch eine präzise Regelung kann sichergestellt werden, dass der SEV reibungslos funktioniert und den Bedürfnissen der Reisenden gerecht wird.


Quelle(n): https://deutscher-verkehrsgerichtstag.de/media//Editoren/63.VGT/63.VGTKurzfassungAKVIIIgesamt.pdf


×