Artikel vom 15.07.2019

Wirksamkeit von Verkehrszeichen – der Sichtbarkeitsgrundsatz

Wann ist ein Verkehrszeichen beachtlich?

Zunächst gilt insoweit der sog. Sichtbarkeitsgrundsatz. Dieser besagt, dass Verkehrszeichen so aufzustellen oder anzubringen sind, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick”erfassen kann (so z.B.: BVerwG, Urteil vom 13.03.2008 – Az.: 3 C 18/07).

Unter dieser Voraussetzung äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem Verkehrsteilnehmer gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. „Erfassen“ meint dabei neben der reinen optischen Wahrnehmbarkeit auch die Klarheit im Sinne einer inhaltlichen Verständlichkeit.Danach dürfen beispielsweise nicht mehr als 3 Verkehrszeichen an einem Pfostenangebracht sein. Andernfalls kann von einem Verkehrsteilnehmer nicht erwartet werden, dass er die Bedeutung sämtlicher dort angebrachter Verkehrszeichen noch erfassen kann.

Der Sichtbarkeitsgrundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Vielmehr sind unterschiedliche Anforderungen an ihn zu stellen,je nachdem, ob der fließende oder der ruhende Verkehr betroffen ist:

Verkehrszeichen, die den fließenden Verkehr betreffen, müssen – je nach Geschwindigkeit des sie passierenden Verkehrsteilnehmers – innerhalb kürzester Zeit wahrgenommen und inhaltlich erfasst, d.h. in ihrer Aussage verstanden werden, können. Den ndem vorbeifahrenden Fahrer verbleibt in der Regel keine Zeit sich noch Gedanken über den Inhalt ihrer Aussage zu machen. Es muss vielmehr jederzeit eine schnelle Reaktionsmöglichkeit des Fahrers gewährleistet bleiben, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden.

Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, dass an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr weitaus niedrigere Anforderungen zu stellen sind, womit höhere Sorgfaltspflichten für den Verkehrsteilnehmer einhergehen. Dies hängt damit zusammen, dass nach dem Abstellen des Fahrzeuges eine nähere inhaltliche Befassung mit der vor Ort geltenden Regelung gefahrlos möglich ist. Unter Umständen kann der Fahrer dabei sogar zu einer Nachschau verpflichtet sein. Die Verkehrszeichen müssen dafür allerdings durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne weiteres erkennbar sein. Dabei sind immer auch die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wie z.B. die Ortskundigkeit einer Person.

Wann ist ein Verkehrszeichen unbeachtlich?

Unwirksam - und damit unbeachtlich - sind unkenntlich gewordene Verkehrszeichen, die beim Fahren mit beiläufigem Blick nicht rechtzeitig erfasst werden können, etwa durch Rost oder Schnee.

Das gilt jedoch nicht bei verschneiten Vorfahrts- oder Stopp-Schildern, die schon an ihrer Form zu erkennen sind.

Auch ein durch Baum– und/oder Buschbewuchs objektiv nicht mehr erkennbares Verkehrszeichen entfaltet keine Rechtswirkungen mehr (so auch: OLG Hamm, 30.09.2010, Az.: III-3 RBs 336/09).

Vorsicht: Ortskundigkeit kann dem aber entgegenstehen!

Verkehrszeichen können allerdings auch unwirksam sein, wenn sie nicht ordnungsgemäß angebracht wurden. Wie ein Verkehrszeichen ordnungsgemäß anzubringen ist, regelt Ziffer III Nr. 13 aVwV-StVO zu §§ 39 - 43 StVO. Demnach sollte sich die Unterkante eines Verkehrszeichens in der Regel mindestens 2,00 m über dem Straßenniveau befinden, über Radwegen 2,20 m, an Schilderbrücken 4,50 m und auf Inseln und Verkehrstellern gelten als Grenze 0,60 m.

Schließlich gilt: Bei offensichtlicher Willkür, Sinnwidrigkeit und objektiver Unklarheit entfalten Verkehrszeichen ebenfalls keine Rechtswirksamkeit.

FAQ zum Artikel

Wann ist ein Verkehrszeichen beachtlich?

Verkehrszeichen sind beachtlich, wenn sie optisch wahrnehmbar und inhaltlich verständlich sind und sich mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen lassen.

Wie viele Verkehrszeichen dürfen an einem Pfosten angebracht werden?

Es dürfen höchstens 3 Verkehrszeichen an einem Pfosten angebracht werden.

Gibt es Unterschiede in der Beachtlichkeit von Verkehrszeichen im fließenden und im ruhenden Verkehr?

Ja, im fließenden Verkehr müssen Verkehrszeichen innerhalb kürzester Zeit wahrgenommen und inhaltlich erfasst werden, im ruhenden Verkehr sind Anforderungen an die Beachtlichkeit niedriger.

Wann sind Verkehrszeichen unwirksam und damit unbeachtlich?

Unwirksam und unbeachtlich sind unkenntlich gewordene Verkehrszeichen, die beim Fahren nicht rechtzeitig erfasst werden können, etwa durch Rost oder Schnee, sowie Verkehrszeichen, die nicht ordnungsgemäß angebracht wurden.

Kann Ortskundigkeit die Beachtlichkeit von Verkehrszeichen beeinflussen?

Ja, bei Ortskundigkeit ist eine nähere inhaltliche Befassung mit der vor Ort geltenden Regelung möglich und der Fahrer kann zu einer Nachschau verpflichtet sein.

Ordnungsgemäße Anbringung von Verkehrszeichen
Unterkante eines Verkehrszeichens 2,00 m über dem Straßenniveau
Unterkante eines Verkehrszeichens über Radwegen 2,20 m
Unterkante eines Verkehrszeichens an Schilderbrücken 4,50 m
Unterkante eines Verkehrszeichens auf Inseln und Verkehrstellern 0,60 m

Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 06. April 2016 zur Anforderungen an die Sichtbarkeit von Haltverbotszeichen

Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig haben heute bestätigt, dass die Anforderungen an die Erkennbarkeit und Erfassbarkeit von Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr von denen im fließenden Verkehr abweichen. Wie die Richter entschieden haben, müssen Verkehrszeichen so aufgestellt werden, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann. Mit dieser Entscheidung befasste sich das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Kläger gegen die Auferlegung einer Gebühr für die Umsetzung eines Kraftfahrzeugs vorging. Der Kläger hatte das Fahrzeug im September 2010 in Berlin in einem Straßenabschnitt geparkt, wo wegen eines am nächsten Tag stattfindenden Straßenfestes durch vorübergehend angebrachte Verkehrszeichen ein absolutes Haltverbot ausgeschildert war. Der Beklagte veranlasste die Umsetzung des Fahrzeugs durch ein Abschleppunternehmen und verlangte eine Gebühr in Höhe von 125 €.

Der Kläger widersprach und argumentierte, dass die Verkehrszeichen nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen seien. Daher seien die Haltverbote nicht wirksam bekannt gemacht worden. Seine Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht ging von einer anlasslosen Nachschaupflicht aus und meinte, dass das Haltverbot für den Kläger erkennbar gewesen wäre, wenn er dieser Nachschaupflicht nachgekommen wäre. Allerdings ließ es offen, in welcher Höhe und welcher Ausrichtung das Haltverbotszeichen angebracht war.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Richter betonten dabei, dass die Anwendung des Sichtbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht nicht in vollem Umfang im Einklang mit den Anforderungen stand. Daher müssen ergänzende tatsächliche Feststellungen zur Aufstellung und Sichtbarkeit der Haltverbotszeichen vorgenommen werden.

Der Sichtbarkeitsgrundsatz ist ein wichtiger Teil des Verkehrsrechts. Er legt fest, dass Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen, ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer ausüben, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Dieser Grundsatz ist besonders wichtig, wenn es darum geht, ein absolutes Haltverbot auszuschildern. Für die Erkennbarkeit eines solchen Verkehrszeichens müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein. Der Kläger eines aktuellen Falles behauptete, dass die Verkehrszeichen nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen seien. Daher seien die Haltverbote nicht wirksam bekannt gemacht worden. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte, dass die Anforderungen an die Erkennbarkeit und Erfassbarkeit von Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr von denen im fließenden Verkehr abweichen. Es schickte den Fall zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück, da ergänzende tatsächliche Feststellungen zur Aufstellung und Sichtbarkeit der Haltverbotszeichen notwendig sind.

Das Verkehrsrecht schreibt vor, dass Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr so aufgestellt werden müssen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann. Wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden, kann eine Gebühr für die Umsetzung eines Kraftfahrzeugs nicht erhoben werden. Daher ist es wichtig, dass Verkehrsteilnehmer die Verkehrszeichen unter Beachtung der Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes beachten, um eine rechtssichere Handlung zu gewährleisten.


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