Artikel vom 16.02.2023

Fahrtenbuchanordnung und Verwertbarkeit einer standardisierten Messung: Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verwertbarkeit einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren

Adressaten einer Fahrtenbuchanordnung, die gegen die Verwertbarkeit einer standardisierten Messung vorgehen, können sich nicht mit Erfolg auf die teilweise Verweigerung des Zugangs zu Rohmessdaten berufen, wenn sie nicht alles ihnen Zumutbare unternommen haben, um diesen Zugang zu erhalten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Geschwindigkeitsmessung und Fahrtenbuchanordnung

Im Dezember 2018 wurde auf der Bundesautobahn A 8 mit einem mobilen Lasermessgerät des Typs VITRONIC Poliscan FM 1 gemessen, dass mit dem auf den Kläger zugelassenen PKW die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 41 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Der Fahrer des Fahrzeugs konnte nicht festgestellt werden. Daraufhin gab der Beklagte dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Der Kläger kam der Anordnung nach. Seine nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Anordnung festzustellen, hat er damit begründet, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht verwertbar sei, da das Messgerät keine Rohmessdaten speichere.

Rechtliche Entscheidungen zur Fahrtenbuchanordnung

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes festgestellt, dass das Messgerät die Rohmessdaten gespeichert hatte. Der Kläger hat daraufhin geltend gemacht, diese Daten würden ihm von der Bußgeldstelle nicht vollständig zur Verfügung gestellt, obwohl das für eine effektive Rechtsverfolgung erforderlich sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Nach § 31a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) setzt eine Fahrtenbuchanordnung u.a. eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften voraus. Mit seinem Einwand, die Geschwindigkeitsmessung sei nicht verwertbar, da ihm nicht auch die Rohmessdaten Dritter zur Überprüfung der Messung zur Verfügung gestellt worden seien, hatte der Kläger keinen Erfolg.

Anspruch auf Zugang zu Rohmessdaten und Verpflichtung zur Rechtsverfolgung

Behörden und Gerichte dürften auch bei der Entscheidung über eine Fahrtenbuchanordnung die Ergebnisse standardisierter Messverfahren zugrunde legen, solange der Betroffene keine substanziierten Einwände gegen die Richtigkeit der Messung erhebe. Um dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, deren Richtigkeit zu überprüfen, gebiete das Recht auf ein faires Verfahren, ihm Zugang zu Rohmessdaten zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse der Betroffene diesen Zugang aber rechtzeitig beantragt haben.

Der Kläger hat nicht alles ihm Zumutbare getan, um an die gewünschten Daten zu gelangen. Die Bußgeldstelle hat ihm u.a. die seinen PKW betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt, nicht aber - wie beantragt - zusätzlich die Rohmessdaten der gesamten Messreihe, also nicht auch die Daten zu anderen Verkehrsteilnehmern und die Statistikdatei. Rechtliche Schritte, um den behaupteten umfassenden Zugangsanspruch gegenüber der Bußgeldstelle durchzusetzen, hat er nicht unternommen.

Konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler hatte der Kläger nicht - wie erforderlich - aufgezeigt. Ist bei einer Geschwindigkeitsmessung ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 20 Abs. 3 GG) zwar im Grundsatz ein Anspruch auch des von einer Fahrtenbuchanordnung Betroffenen auf Zugang zu bei der Bußgeldstelle vorhandenen Daten. Es obliegt jedoch ihm, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um seinen Zugangsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen.

Fazit: Fair Verfahren bei Fahrtenbuchanordnung

Nur wenn der Betroffene alles ihm Zumutbare unternommen hat, um Zugang zu Rohmessdaten zu erhalten, kann es ein Gebot des fairen Verfahrens sein, ihm nicht die Möglichkeit zu nehmen, auf der Grundlage der begehrten Informationen konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall die Revision des Klägers zurückgewiesen, da er nicht alles ihm Zumutbare getan hat, um an die gewünschten Daten zu gelangen.

FAQ zum Artikel

Was ist eine Fahrtenbuchanordnung?

Eine Fahrtenbuchanordnung ist ein Verwaltungsakt, der von einer Verkehrsbehörde erlassen wird, um eine Person dazu zu verpflichten, ein Fahrtenbuch zu führen.

Was ist ein standardisiertes Messverfahren?

Ein standardisiertes Messverfahren ist ein Verfahren, das ein einheitliches Verfahren zur Messung von Geschwindigkeiten und anderen Parametern vorsieht.

Wann wird eine Fahrtenbuchanordnung erlassen?

Eine Fahrtenbuchanordnung wird vom zuständigen Verkehrsamt erlassen, wenn eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften vorliegt.

Was ist ein Recht auf ein faires Verfahren?

Ein Recht auf ein faires Verfahren ist ein Grundrecht, das dem Bürger zusteht, ein Verfahren rechtmäßig und unvoreingenommen durchzuführen.

Was bedeutet es, alles ihm Zumutbare zu unternehmen?

Alles ihm Zumutbare zu unternehmen bedeutet, dass der Betroffene alle ihm nach dem Recht zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen muss, um seine Rechte durchzusetzen.


Quelle(n): Bundesverwaltungsgericht BVerwG 3 C 14.21


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