Artikel vom 16.05.2023

Gerichtsurteil bringt Klarheit: Kein Verstoß gegen StVO bei Umlagerung des Smartphones während der Fahrt

Entscheidung zur Handynutzung im Auto

In einem bahnbrechenden Urteil hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, dass das Aufnehmen eines Mobiltelefons durch einen Fahrer, um es während eines laufenden Gesprächs über die Freisprecheinrichtung umzulagern, nicht gegen § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstößt.

Vorinstanzliche Verurteilung aufgehoben

Das Urteil hob die Entscheidung des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 21. November 2022 auf, das den Betroffenen wegen angeblicher vorschriftswidriger Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt zu einer Geldbuße von 250 Euro verurteilt hatte. Der Fahrer hatte argumentiert, dass er sein Handy nur in die Hand genommen habe, um es umzulagern, und nicht zum Telefonieren genutzt habe, da das Gespräch über die Freisprecheinrichtung lief.

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg

Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts wurde zugelassen und führte zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Die Frage, ob die Aufnahme eines Mobiltelefons während der Nutzung einer Freisprecheinrichtung gegen die StVO verstößt, war bisher obergerichtlich noch nicht entschieden worden.

Die Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil stellt eine wichtige Klärung des Begriffs "Benutzen" im Kontext der Nutzung von Mobiltelefonen während der Fahrt dar. Es wurde festgestellt, dass das bloße Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes nicht ausreicht, um einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO zu begründen. Stattdessen muss eine Nutzung des elektronischen Geräts über das bloße Halten hinaus vorliegen.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Vorschrift die Bedingungen regelt, unter denen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist, und das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck verbietet. Wenn jedoch das Element der Nutzung fehlt, fällt auch das Aufnehmen oder Halten nicht unter das Verbot.

Folgen der Entscheidung

Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Rechtsauslegung und das Verhalten von Fahrzeugführern im Umgang mit elektronischen Geräten während der Fahrt.

Expertenmeinung

Unsere Redaktion fragte Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Christian Fuhrmann, welche Möglichkeiten der Betroffene bei einem Handyverstoß hat.


Frage: Welche Erfolgschance hat man bei einem Einspruch gegen einen Handy Verstoß?

Antwort: Grundsätzlich gilt es immer, den Einzelfall zu prüfen.

Ich persönlich rate jedem Betroffenen bei einem vorgeworfenen Handyverstoß einen Einspruch einzulegen, weil in 99 % aller Fälle, die Feststellung durch Polizeibeamte getätigt wird und nicht durch ein klassisches Blitzerfoto, auf dem die Betroffenen häufig mit dem Handy in der Hand zu sehen sind.

Es kann selten aus einem anderen Verfahren, Rückschluss mit garantierter Erfolgschance auf einen anderen Fall genommen werden, weil doch meist die Sachverhalte divergieren.

Durch eine Akteneinsicht erfährt man recht schnell, ob die Beamten ausreichende Argumente für eine sichere Feststellung eines Handyverstoß getätigt haben.

In vielen Ermittlungsakte steht sinngemäß Folgendes „Handy in der rechten Hand gehalten, auf Höhe des Lenkrads, getippt.“

Eine solche Aktennotiz wird in vielen Fällen nicht ausreichen, wenn der Betroffene, am besten unterstützend mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht, eine qualifizierte Gegendarstellung zur Akte bringt.
Meist findet erst 4-8 Monate später eine Beweisaufnahme beim Amtsgericht statt, in welcher der Rechtsanwalt die Beamten vernehmen kann. Sehr häufig haben die Beamten keine konkrete Erinnerung mehr und müssen Bezug auf Ihre Notizen nehmen, was aber am Ende nicht ausreicht, wenn eine qualifizierte und substantivierte Gegendarstellung durch den Betroffenen eingebracht wurde.

Häufig nehmen Beamte, die als Zeuge geladen sind, Bezug auf eine schriftliche Notiz eines anderen Kollegen, so dass durch den Rechtsanwalt eine kritische Stimme erhoben werden muss. Dies führt sehr häufig zu der gesamten Einstellung des Bußgeldverfahrens. Ein Richter muss immer noch beachten: „Im Zweifel für den Betroffenen.“

In anderen Fällen, bei denen die Beamten im Vorfeld bessere Arbeit geleistet haben und möglicherweise ein längerer Sachverhalt Text der Akte zu entnehmen ist, muss in der Beweisaufnahme kritisch hinterfragt werden, wie hoch die Verkehrsdichte war, an welcher Stelle die Beamten positioniert gewesen sind, wie lange überhaupt die Sicht ins Fahrzeug möglich war, ob durch die Lichtverhältnisse eines Spiegelung Der Fensterscheiben vorgelegen hat und natürlich, woran man überhaupt festmachen konnte, dass es sich um ein elektronisches Gerät gehandelt hat, welches unter die gesetzliche Norm fällt . nicht nur das Oberlandesgericht Karlsruhe, sondern auch das Oberlandesgericht Stuttgart hat bereits im Jahr 2019 Stellung genommen zu den fällen, in denen ein Betroffener, das Mobiltelefon oder ein anderes elektronisches Gerät lediglich in der Hand hält.

Das Oberlanfesgericht Stuttgart stellte 2019 bereits klar, dass nach der neuen Fassung des § 23 Abs. 1a StVO kein Verstoß vorliegt, wenn ein Kraftfahrzeugführer das Handy bzw. elektronische Gerät nur in der Hand hält. Nach wie vor sei die „Benutzung“ erforderlich, um von einer Ordnungswidrigkeit ausgehen zu können.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.01.2019 – 2 Rb 24 Ss 1269/18

Die Entscheidung des Oberlandesgericht Stuttgart sowie auch die neuerliche Entscheidung des Oberlandesgericht Karlsruhe eröffnen immense Verteidigung Chancen, die jeder Betroffene nutzen sollte, allen voran, wenn eine Rechtschutzversicherung für den Betroffenen besteht, die die Kosten einer anwaltlichen Beauftragung sowie auch eventuelle Verfahrenskosten übernimmt.

Gerne beraten wir Sie unverbindlich und kostenlos für eine mögliche Erfolgschance in Ihrem Verfahren.


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