Artikel vom 20.02.2023

Gutgläubiger Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs: Bundesgerichtshof stellt Beweislastverteilung klar

Am 23. September 2022 hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil entschieden, dass dann, wenn sich der Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb von einem Nichtberechtigten beruft, der bisherige Eigentümer beweisen muss, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Kraftfahrzeugbrief) nicht hat vorlegen lassen. Der V. Zivilsenat hat hierin eine Beweislastverteilung festgelegt, die für den Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs von besonderer Bedeutung ist.

Sachverhalt

Im März 2019 kaufte die Klägerin, eine Gesellschaft italienischen Rechts, unter Einschaltung eines Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. Ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs war die Beklagte, die es an das Autohaus verleast hatte und die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hat die Klage der Klägerin auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II abgewiesen und auf die Widerklage der Beklagten die Klägerin verurteilt, das Fahrzeug herauszugeben. Das Berufungsgericht hat umgekehrt entschieden und die Beklagte verurteilt, die Zulassungsbescheinigung Teil II an die Klägerin herauszugeben. Die Widerklage hat es abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen und sich damit der Auffassung des Berufungsgerichts angeschlossen. Die Klägerin kann von der Beklagten die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist. Da das Fahrzeug dem Autohaus als Veräußerer nicht gehörte, konnte die Klägerin das Eigentum allerdings nur gutgläubig erwerben. Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse als Ausschließungsgrund ausgestaltet, sodass der bisherige Eigentümer das Fehlen der Gutgläubigkeit des Erwerbers beweisen muss.

Der V. Zivilsenat hat jedoch auch festgestellt, dass der Erwerber, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II trifft. Er muss vortragen, wann, wo und durch wen ihm die Bescheinigung vorgelegt wurde und dass er sie überprüft hat. Weil die Klägerin diese Darlegungslast erfüllt hat, ist die Widerklage der Beklagten auf Herausgabe des Fahrzeugs unbegründet.

FAQ zum Artikel

Was muss ein Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs beweisen, wenn er sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft?

Der Erwerber muss die Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit.

Trifft den Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II?

Ja, der Erwerber muss vortragen, wann, wo und durch wen ihm die Bescheinigung vorgelegt worden ist und dass er sie überprüft hat.

Welche rechtliche Bedeutung hat die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II?

Die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II hat rechtliche Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem guten Glauben des Erwerbers; dessen Fehlen muss der bisherige Eigentümer beweisen.


Quelle(n): Bundesgerichtshof 23. September 2022 – V ZR 148/21


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