Artikel vom 27.02.2023
Unterschlagung eines Autos während Probefahrt – Klage abgewiesen
Wenn man ein Fahrzeug für eine unbegleitete Probefahrt an einen vermeintlichen Kaufinteressenten überlässt, kann man das Eigentum an dem Fahrzeug verlieren, wenn es nicht zurückgegeben wird. Nur wenn es sich um einen Besitzdiener handelt, wird der Eigentümer nicht sein Eigentum verlieren. Dies hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden.
Vorlage des Personalausweises
Bei einem Autohaus erschien ein vermeintlicher Kaufinteressent für ein als Vorführwagen genutztes Kraftfahrzeug (Mercedes-Benz V 220 d) im Wert von 52.900 €. Er vorlegte hochprofessionelle Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins.
Überlassung des Fahrzeugs
Nachdem die Unterlagen vorgelegt wurden, wurde dem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines "Fahrzeug-Benutzungsvertrages" ein Fahrzeugschlüssel, das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug, das Fahrtenbuch und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt.
Verlust des Eigentums
Der vermeintliche Kaufinteressent kehrte mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Kurze Zeit später wurde die Beklagte auf das dort von einem Privatverkäufer angebotene Fahrzeug aufmerksam. Die Beklagte, die die vorgelegten Fahrzeugunterlagen nicht als gefälscht erkannte, schloss mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Ihr wurden nach Zahlung des Kaufpreises von 46.500 € das Fahrzeug, die Zulassungspapiere, ein passender sowie ein weiterer - nicht dem Fahrzeug zuzuordnender - Schlüssel übergeben.
Abweisung der Klage
Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeuges und des Originalschlüssels; die Beklagte verlangte im Wege der Widerklage u.a. die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere und des Zweitschlüssels. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Vor dem Oberlandesgericht hatte die Klage Erfolg; die Widerklage wurde abgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Landgerichts im Wesentlichen wiederhergestellt. Die Klägerin hat das Eigentum an dem Fahrzeug verloren. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb der Beklagten scheitert nicht an § 935 BGB, da das Fahrzeug der Klägerin nicht abhandengekommen war. Ein Abhandenkommen im Sinne dieser Vorschrift setzt einen unfreiwilligen Besitzverlust voraus. Daran fehlt es. Eine Besitzübertragung ist nicht schon deshalb unfreiwillig, weil sie auf einer Täuschung beruht. Mit der (freiwilligen) Überlassung des Fahrzeugs zur Probefahrt geht der Besitz auf den vermeintlichen Kaufinteressenten über. Da die Beklagte beim Erwerb des Kraftfahrzeuges in gutem Glauben war, ist sie dessen Eigentümerin geworden und kann von der Klägerin die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere verlangen.
Quelle(n): Bundesgerichtshof Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19