Artikel vom 25.01.2024

Werkstattrisiko bei Kfz-Reparaturkosten – Neue Klarheit für Geschädigte durch den Bundesgerichtshof

Am 16. Januar 2024 fällte der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wegweisende Urteile (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22 und VI ZR 51/23) bezüglich der Ersatzfähigkeit von Kfz-Reparaturkosten im Zusammenhang mit dem sogenannten Werkstattrisiko. In unterschiedlichen Konstellationen wurde die Frage erörtert, wer das Risiko trägt, wenn der Unfallverursacher einwendet, dass die von der Werkstatt gestellte Rechnung überhöht sei.

Werkstattrisiko liegt grundsätzlich beim Schädiger

Die bisherige Rechtsprechung legte bereits fest, dass das Werkstattrisiko grundsätzlich beim Schädiger liegt. Wenn der Geschädigte sein beschädigtes Fahrzeug in eine Fachwerkstatt gibt und ihn kein Verschulden trifft, sind die Reparaturkosten vollumfänglich ersatzfähig. Dies gilt auch, wenn die Werkstatt unsachgemäß arbeitet oder unwirtschaftliche Methoden anwendet. Reparaturen, die nur nebenbei bei Instandsetzungsarbeiten ausgeführt wurden, fallen nicht unter das Werkstattrisiko.

Klärung neuer Aspekte durch den Senat

Der VI. Zivilsenat hat nunmehr klargestellt, dass das Werkstattrisiko nicht nur für überhöhte Rechnungspositionen greift, sondern auch für tatsächlich nicht durchgeführte Reparaturschritte. Die Schadensbeseitigung erfolgt in einer vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre. Bei Werkstattrisiko trägt der Schädiger die Beweislast für die objektive Erforderlichkeit der Reparaturkosten.

Vertrauen in Fachwerkstätten und Abtretung von Ansprüchen

Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Fachwerkstatt keine unwirtschaftlichen Wege für die Schadensbeseitigung wählt. Es ist nicht erforderlich, vor der Beauftragung der Werkstatt ein Sachverständigengutachten einzuholen. Selbst wenn der Geschädigte ein Gutachten einholt und die Auswahl der Werkstatt dem Sachverständigen überlässt, führt dies nicht zu einem Auswahl- oder Überwachungsverschulden.

Besondere Regelungen bei unbezahlten Rechnungen

Das Werkstattrisiko besteht unabhängig davon, ob die Reparaturrechnung bezahlt wurde. Bei unbezahlten Rechnungen kann der Geschädigte die Zahlung der Reparaturkosten nur an die Werkstatt verlangen, nicht an sich selbst. Ein Vorteilsausgleich durch Abtretung von Ansprüchen gegen die Werkstatt ist nur möglich, wenn der Geschädigte die (Rest-)Zahlung an die Werkstatt verweigert.

Entscheidungen der Einzelfälle

In einem Fall, in dem die Geschädigte einer Werkstatt ihre Ansprüche abtrat, hob das Gericht das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück.

In einem weiteren Fall, in dem eine Klägerin sich als Zessionarin nicht auf das Werkstattrisiko berufen konnte, wurde die Revision zurückgewiesen.

Im dritten Fall, in dem eine Geschädigte Reparaturkosten geltend machte, hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück, um zu klären, ob die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten Teil der Reparatur der Unfallschäden sind.

In einem nächsten Fall, in dem der Kläger die Zahlung an die Werkstatt verlangte, wurde die Klage vom Bundesgerichtshof stattgegeben.

Bei einem Streit um die Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten im Zusammenhang mit der Reparatur eines verunfallten Fahrzeugs wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Insgesamt stärken diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs die Position der Geschädigten in Bezug auf Kfz-Reparaturkosten und klären verschiedene Aspekte des Werkstattrisikos.


Quelle(n): https://juris.bundesgerichtshof.de Bild von Chris Reading auf Pixabay


×